EISKALT (!) – glitschig-gletschrige Kunstwelt

Kunsthalle Luzern, 06.02.2015: Zeitgleich zur momentanen Winterkälte widmet sich die Gruppenausstellung «On the rocks» in der Kunsthalle Luzern der eiskalten Welt der Gletscherfurchen, Eisblöcke und Gletscherzungen. Anders als die thematische Ausstellung im Gletschergarten Luzern, welche von einer geographisch-glaziologischen Sichtweise geprägt ist, führt die Exposition «On the rocks» den Besucher spielerisch-künstlerisch an das Thema Gletscher heran.

Die Idee zur Ausstellung On the rocks entstand durch die nachbarschaftliche Lage der Kunsthalle Luzern zum Gletschergarten Luzern. Durch den Zusammenschluss der Künstler Luigi Archetti und Catrin Lüthi K die sich auf ihre eigene Weise individuell mit dem Thema Gletscherwelt auseinandersetzten, entstanden neue Werke, die spezifisch für den Ausstellungsraum der Kunsthalle Luzern geschaffen wurden.

Luigi Archetti_Eingefrorene_Zeit_Ganze_Serie

Vertraut gemacht mit den Geräuschen der Eis – und Geschiebemassen, die von einer analogen Soundstation stammen, betritt der Betrachter die gletscherhafte Kunstkulisse der Kunsthalle Luzern. Dessen reibende, aneinanderschlagende und dumpfe Töne assoziieren eine Befindlichkeit zwischen Eismassen und Gletschergewölbe. Das akustische Klangmaterial stammt von der PALAOA-Forschungsstation vom Alfred Wegener Institut Bremerhaven in der Antarktis. Die Signale, live mit Satellit nach Bremerhaven gesendet, werden per Web für jeden zugänglich gemacht. Mit den beiden Soundstationen, eine davon befindet sich im unteren Teil der Kunsthalle; dem Kabinett, durchmischt der Künstler Luigi Archetti die Originalklänge der Antarktis mit einer von ihm organisierten, rhythmischen Tonspur. Das Zusammenspiel an Walgesängen, Schiffsmotoren und Packeis leiten den Ausstellungsbesucher weiter zur sich dahinter befindenden Wand, die mit Siebdruckarbeiten des Künstlers bestückt ist. Blaue Rechtecke und Quadrate stechen ins Auge, die bei entfernter Betrachtung ein Mosaik an Formen bilden, die sich im Zusammenspiel erst richtig entfalten. Die 135-teilige Unikate-Serie lässt nicht erahnen, dass es sich bei den rechteckigen und quadratischen Quadern der Siebdrucke um Schlagzeilen und Bilder der Zeitung Die Zeit handelt. Diese Ausschnitte wurden durch den Künstler Luigi Archetti mit Kunstharzfarbe überlagert, so dass sich die schriftlichen Informationen der Zeitungsstücke im Unkenntlichen verbergen. Das Veränderliche des Eises wird so zur Thematik, dass entgegen unserer gängigen Vorstellung nicht etwas Statisches ist, sondern in ständiger Bewegung. Diese für uns nur schwer vorstellbare Formbarkeit und Veränderlichkeit des Eises nimmt künstlerisch Bezug zu den Soundstationen, welche die Veränderbarkeit des eingefrorenen Wassers akustisch dokumentieren.

Im hinteren Teil des Ausstellungsraums konstruierte Catrin Lüthi K mit unterschiedlichen Materialfragmenten eine künstlerische Gletscherlandschaft. Styropor, Glasplatten, Spanholz und Bilderrähmen wurden zu einer anorganischen Masse drapiert und an der Längsseite der Galeriefenster als Gletschermassiv inszeniert. Ähnlich wie bei einem zweidimensionalen Combine Painting präsentieren sich die mixed media hier als künstlerisches Materialarrangement im Raum. Ihre Dreidimensionalität zeigt sich abstrakt anmutend. Mit der Anordnung natürlicher Materialien, die sich zu einem Zehrgebiet des Kunstgletschers akkumulieren, möchte Catrin Lüthi K die Rohheit des Gletschers dem Betrachter präsentieren und zwar so, als würde sich dieser inmitten des Gletschers befinden. Weniger gelungen zeigt sich hier die Anordnung der Installation, welche die Intention sich mitten im Gletscher zu befinden nicht aufkommen lässt. Dazu fehlt die Weiterführung des Arrangements der Materialien auf der gegenüberliegenden Wandseite. Einzeln platzierte Materialinseln und Tische, welche mit Arrangements beladen sind und granulares Eis, Gletscherschliff und Moränenmaterial eines Gletschers versinnbildlichen, fügen sich nicht genügend in die künstlerisch dargestellte Gletscherlandschaft auf der Galerieseite ein und wirken im Raum verloren. Ein zusammenhängendes Eingebettetsein im Inneren eines Gletschers ist darum nur schwer vorstellbar. Durch den Einbezug von Isolationsmaterial, welches die drapierten Materialfragmente der Installation durchsetzt, gelingt ein Bezug zur aktuellen Thematik der globalen Erwärmung. Das Isolationsmaterial, das eine wärmende Funktion inne hat, spielt auf die langsam fortschreitende Erwärmung des Gletschers und die Vernichtung der riesigen Süsswasserspeicher an.

Luigi Archetti_Eingefrorene_Zeit_Detail_I

In der Nische hinter der Empfangstheke findet sich zudem eine Skulptur der Künstlerin Catrin Lüthi K: Ein altes Geometerstativ dient als Sockel, ein Bronzeguss, einen Bergweg zeigend, bildet die Skulptur. Nicht das Messinstrument wird zum Mittelpunkt der Betrachtung, sondern der Bergweg, als Messgegenstand selbst.

Mit den ausgestellten künstlerischen Arbeiten möchte die Ausstellung On the rocks mit dem weitverbreiteten Eindruck des statischen Gletschers brechen und das bewegende Eis dem Kunstinteressierten vor Augen führen. Um dieser echten Dynamik des Gletschers nahe zu kommen, hätte eine zyklische Verschiebung von Catrin Lüthi K Installation während der Ausstellungsdauer eine gelungene künstlerische Umsetzung dieser Thematik ergeben. Die Beweglichkeit des Eises und die Anomalie des Wassers wären dadurch, anders als bei der jetzigen permanenten Installation, künstlerisch besser darstell- und nachvollziehbar gewesen. Die Geräusche der Soundinstallation von Luigi Archetti hätten sich so gekonnt mit dem Vorrücken der Gletscherinstallation verbinden lassen.

Die künstlerische Welt des Gletschers ist in der Ausstellung «On the rocks» noch bis am 1. März 2015 in der Kunsthalle Luzern zu sehen.