Ein Abend rund um die Zeit

Südpol, 26.02.2016: Iggy Malmborg und Johannes Schmit stellen sich als Künstlerduo der Frage: «Welche Privilegien haben wir?» – Weisse Menschen seien die offensichtlichen Profiteure einer rassistischen Welt, so ihre Antwort und das Thema einer mehrteiligen Performance-Serie.

Es hätte einen an diesem Abend alles erwarten können, denn erhellend war die Programmvorschau nicht. White on White ist eine Performance-Serie von «WHITE performers» für «WHITE audiences», so das provokative Ziel des Künstlerduos Iggy Malmborg und Johannes Schmit. Sie wollen das Abstrakte – das «Weisse» – so überspitzt auf der Bühne zeigen, dass es für sich selbst zu sprechen beginnt. An diesem Abend im Südpol drehte sich alles um die Untersuchung von White on White #7: der Idee, dass nicht nur das «Weiss-Sein», sondern auch die Jugend von Malmborg und Schmit ein Privileg sein müsse. #7 ist ein Projekt, das erst 2018 starten und 2058 enden soll. Durch zwei möglichst identische Aufführungen, ganze 40 Jahre auseinanderliegend, möchten sie eine Art Wurmloch durch die Zeit schlagen, die beiden Zeit-Pole übereinanderlegen und so eine direkte Verbindung zwischen Jugend und Alter kreieren. Für diese Zeitspanne plant das Duo eine Skulptur zu errichten, die die Jahre übersteht. Als zweites Vorhaben wollen sie sich dazu vertraglich verpflichten – alle Eventualitäten und Veränderungen einplanend – die zweite Vorstellung nach Ablauf der Zeit von 40 Jahren wieder identisch vorzuführen. Als drittes Vorhaben beabsichtigen sie eine Sprachaufnahme einzufrieren. Wie das alles funktionieren soll, das war der Inhalt der Veranstaltung im Südpol. Die «Performance» bestand darin, anhand einer Powerpoint-Präsentation – so sah sie zumindest aus – dieses Vorhaben zu illustrieren und mithilfe des Publikums weiterzustricken: Wie speichert man eine Sprachaufnahme, die man auch nach 40 Jahren noch abspielen kann? Wo platziert man eine Skulptur, damit sie überdauert und sichtbar bleibt? Wie kann man sich für das ganze Vorhaben juristisch absichern? Eines konnten die Vortragenden perfekt: offensichtliche und naheliegende Schlussfolgerungen in ein gewaltiges Echo scheinbar intellektueller Ausführungen zu verpacken. Was in seiner Unvollendetheit und Einfachheit sonst jedem peinlich zu präsentieren wäre, packten sie in ihre Event-Blase: Wie zwei «Steve Jobs» traten sie auf, präsentierten aber nur unausgereifte Ideen, statt das Ding an sich vorzustellen. Als Zuschauer fühlte man sich eher als Versuchskaninchen. Damit das Eintrittsgeld irgendwie gerechtfertigt werden konnte, wurde der Anlass mit einem «Food-Tasting» verbunden. – Was könnte auch näher liegen, als das Thema Vergänglichkeit mit Essen zu verbinden? Gereicht wurde leider aber keine Astronautennahrung, keine speziell haltbar gemachten Speisen, gereicht wurden Salathäppchen und Ziegenkäse – Der feuchte Traum eines jeden Bioladen-Hipsters. Wie man sicherstellen kann, dass nicht nur eine Statue, sondern ein ganzes Projekt über 40 Jahre erhalten bleiben kann, ist bestimmt ein interessantes Gedankenspiel. Daraus aber eine Abendunterhaltung zu konstruieren ist weder kreativ noch anregend, sondern steht wohl am ironischsten dafür, was es heisst oder hiess, «weiss» und überprivilegiert zu sein. Möglicherweise war genau dies die Intention des Künstlerduos, nämlich zu provozieren und das Publikum selbst zur Performance werden zu lassen. Aber selbst eine solche Absicht wäre nicht gelungen. Die Vorführung war langweilig, keine Provokation: ein Abend rund um die Zeit, und diese eindrücklich spürbar, da sie einfach nicht vorangehen wollte. Übrig blieb ein schaler Eindruck einer kafkaesken Vorstellung: White on White wurde zur grotesken Reality-Show im Südpol und niemand sprach darüber.