Dream Pop im Diesseits

Nach all den talentierten, jugendlichen Bands, die begleitet von Mystik, Hall und Dreiecken Witch House, Electro- und Dream Pop spielen, war es gestern eine Wohltat der jungen, aber nicht juvenilen Band Love Inks im Südpol zu horchen.

(Von Florence Ritter)

Die Bezeichnung Dream Pop wurde Ende der 80er-Jahre als Subgenre des Indie-Pops geprägt und steht namentlich für verträumte Popmusik mit weitläufigem, atmosphärischem Klang, klaren oder gehauchten Frauenstimmen und simplen Text- und Songstrukturen. Sound, der zum Abdriften und Schwelgen verleitet, melancholisch wiegt oder sanft einlullt, so wie die Musik der aus Austin, Texas, stammenden Love Inks, die gestern im Südpol ihr Schweizer Debüt gaben. Nur schade, wenn man sich der wunderschönen Stimme von Sängerin Sherry LeBlanc hingeben möchte, aber vom Raunen und Geschwätz aus dem hinteren Teil des Raumes im Diesseits festgehalten wird. Leider ein Phänomen, das bei ruhigeren Konzerten öfters auftritt, das aber an einem Mittwochabend dennoch verwundert und verärgert, wo man freilich nicht des Ausgangs, sondern der Musik willen – in diesem Fall eine ruhige und reduzierte – das Heim verlässt. Nichtsdestotrotz vermochte das Minimal-Pop-Trio – Sängerin Sherry LeBlanc, Bassist Kevin Dehan und Gitarrist Adam Linnell – zu überzeugen. Die Reduziertheit, die ihnen in jeder Review als «Maxime des Minimalen» zugeschrieben wird, zog sich auch gestern im Südpol als roter Faden durch den Abend: Keine grossen Showeinlagen, einfache Instrumentierung, ein dichtes Set mit kurzen Songs – das in April erschienene Debüt-Album «E.S.P.» hat eine Spiellänge von gerade mal 30 Minuten – und eine wahrlich minimale Beleuchtung, die manchmal auch mehr hätte sein dürfen. Die Band selbst überraschte positiv mit ihrer bestimmten Reife und Unbefangenheit – und hebt sich so von den zahlreichen, zweifelsohne talentierten, jugendlichen Bands ab, die zurzeit auf der Dream-Pop-Schiene fahren und an der Drummachine ihren Low-Fi-Sound basteln. Statt Shoegaze und atmosphärischer Abwesenheit zeigte insbesondere Sängerin Sherry Präsenz. Sie überzeugte mit traumwandlerischer Sicherheit im Gesang und auflockernden Erklärungen zu Songs oder Anekdoten von ihrem kürzlich verstorbenen Vater. Adam und Kevin schienen auf der Bühne paradoxerweise so elementar und zugleich unscheinbar wie die charakteristische Drummachine. Ein angenehmes und gutes Konzert, das ein bisschen mehr Stimmung und Aufmerksamkeit verdient hätte, doch hat es sicherlich auch den Labertaschen gefallen. Den Love Inks stehen noch ein grosser Hype und viele Touren bevor, sie dürften in der Schweiz zum letzten Mal in einem solch gemütlichen, familiären Rahmen empfangen worden sein.