Die Ösis haben was zu sagen – Ja, Panik im Südpol

Der so genannte Diskurs-Pop der 90er-Jahre, wie er in Deutschland seine Hochblüte erlebte, hat an Relevanz verloren. Blumfeld haben sich aufgelöst und deren Sänger Jochen Distelmeyer liebkost nun mit dem Mainstream und Tocotronic sind zur linksbürgerlichen Institution geworden, die sich in ihrer Ernsthaftigkeit versteift. Da tut gut, wenn sich fünf junge Burschen aus Österreich erheben um diesem angestaubten Genre frisches Blut einverleiben.

Ja, Panik kommen ursprünglich aus dem Burgenland, sind nun aber in Wien und Berlin ansässig. Dies als Information, da musikalisch eigentlich sehr wenig aus unserem Nachbarland zu uns rüber schwabt. Ausser natürlich Soap&Skin, die letzten Herbst auch im Südpol ein Konzert gab. Die fünf Jungs kann man wie folgt beschreiben: Andreas Specht: Gesang und Gitarre, sieht aus wie der Daniel Brühl. Sebastian Janata: Schlagzeug und Gesang, der bestaussehendste Schlagzeuger seit Ringo Starr. Stefan Pabst: Bass und Gesang, Nerd mit Brille. Christian Treppo: Klavier und Gesang, Wuschelkopf vom Schulorchester. Thomas Schleicher: Gitarre und Gesang, der scheue, introvertierte. Von ihrem Alter und Aussehen darf man sich nicht täuschen lassen. Ja, Panik haben Relevanz. Hiess ihr Album aus dem Jahre 2007 «The Taste And The Money», tauften sie ihr aktuelles Album «The Angst And The Money». Sie sind am Puls der Zeit.

«flüchtig hingemachte Männermenschen, surreale Frauenexistenzen, Kostverächter, Stiefellecker, blutbefleckte Weltverdrecker, Glückverbrecher, Scharlatane, glatt geschleckte Grobiane, you can tell me a thousand times better to be patient / I tell you in return, don’t hesitate, join the angst parade» Spechtl durchsetzt seine Verse immer wieder mit Englischsprachigen Einschüben, was im ersten Moment gewöhnungsbedürftig erscheint, ist in Tat und Wahrheit eine logische Abgleichung an unsere alltägliche Umgebung. So suggerieren Werbeslogans in Englisch. Coolness und Globalität.  Es ist ein cleveres Instrument von Ja, Panik mit dem Spiel beider Sprachen eine Doppelbödigkeit zu erzeugen, die der deutschensprachigen Rockmusik aus dem Status Quo hilft. Wie bei Phantom/Ghost, dem Seitenprojekt von Dirk von Lotzow, Sänger von Tocotronic, verändert Spechtl die deutsche Phrasierung in den Englischen Textzeilen nicht. Was zur Folge hat, das der deutschsprachige Hintergrund präsent bleibt. Das Ja, Panik bei uns noch relativ unbekannt sind, ist verwunderlich. Hat wahrscheinlich damit zu tun, dass sie nur in den Musikheften, vor Allem in der Spex, ein Thema waren. In Österreich hatte diese Band viel Airplay auf dem staatlichen Jugendsender FM4. Im Südpol fanden sich gestern dann wenigstens ca. 60 Leute im Clubraum ein. Wie so oft an Konzerten waren der Gesang kaum zu verstehen, was das Hören der CD umso empfehlenswerter macht. Dafür bekam man die Energie der Jungspunde mit, die auf Platte halt immer schwierig ist zu konservieren. Das die Ösis schon wieder eine Band liefern, die in Deutschland Fuss fassen kann, sollten sich unsere Schweizer PopmusikerInnen zu Herzen nehmen. Statt die Röhrli-Jeans zu montieren und das NME zu lesen, bringt es wohl mehr, eine eigene Identität aufzubauen und dem kreativen Output Relevanz einzuhauchen. [youtube]http://www.youtube.com/watch?v=C3c_j0dSjKA[/youtube]