Der alte Knacker in neuem Licht

UG Luzerner Theater, 13.12.14: Tanz 14 fährt mit dem, Achtung: „Weihnachtsballet par excellence“ auf. Weil wir wie jede Weihnachten Ballett schauen, gehen wir auch dieses Jahr wieder hin. Kurzweilige Unterhaltung durch eine facettenreiche Inszenierung. Der alte Knacker wird entstaubt.

(Von Flavio Marius)

Meine Erwartungen an das Stück wurden zwei Abende zuvor arg gedämpft. Ich schaute mir die erstbeste Youtube-Inszenierung eines amerikanischen Ballets aus dem Jahr 1977 an: ein grausamer Fehler. Viel verstaubter kann man sich ein Ballet nicht ausmalen. Umso einladender präsentierte sich der dicht bevölkerte Keller des UG in seiner stubenhaften Weihnachtsdekoration. Alles erinnerte an eine Feststimmung, die, obschon niemals selber erfahren, durch die ritualisierten Filmproduktionen alljährlich wieder vorgelebt wird. Das Einzelding was diese Glitzerstimmung aufmischte, war das betrunkene Stück Elend auf dem Barstuhl. Doch leider musste der schlafende Lockenkopf halt doch Teil der Inszenierung sein. Und weil auch die dreifache Verstärkung des Barkeepers zur Tanzkompanie gehörte und sich der Bedienung verweigerte, durfte die Darbietung nun beginnen. Mit dem Erklingen der Musik endete das Rätselraten, wer denn Teil von der Kompanie ist und wer nicht. Die Tänzerinnen und Tänzer, die sich zuvor gekonnt unters Volk mischten, tanzten nun der Theke entlang zwischen dem Publikum hindurch. Die Sichtfreiheit war hier, im Gegensatz zur Theaterbühne, natürlich nicht geschenkt. Wer aber zuvor schon fleissig an der Bar mitmischte, wurde nun doch belohnt. Äusserst erfrischend, diese Form der Bühne, da sich die Handlung nicht in einem Punkt konzentrierte und man den Blick somit schweifen lassen konnte. Als das Publikum im Rahmen des Schauspiels an seine Plätze gewiesen wurde, setzte sich das Geschehen im Theaterraum des UG fort. Und wie: Die architektonischen Besonderheiten des tiefen Raumes oder der seitlich gelegenen Säulen wurden bewusst betont. Ein geniales Licht- und Schattenspiel, das besonders zu Beginn an den film noir erinnerte, verlieh den Szenen eine cineastische Wirkung. Auf tänzerischer Ebene stach besonders die Vielseitigkeit der Choreografie heraus. Dabei bewegte man sich zwischen modernem Tanz und klassischem Ballett. Die Musik wurde zum grossen Teil durch elektronische Töne neu interpretiert. Dazu gilt zu sagen, dass man auch gerne Ballet zu modernen Klängen hätte tanzen können und dass eine frisches musikalisches Arrangement Tschaikowskis nicht unbedingt in einer ironisierenden Nintendo-Stimmung hätte enden müssen. Es gibt gewiss modernere und ernsthaftere Klänge. Denn die wirklich wuchtigen Momente standen am Ende dem Pakt zwischen Ballet und Orchester zu. Das UG erwies sich an diesem Abend ein weiteres Mal als eigenständige Bühne mit ihren Eigentümlichkeiten. Dieses Stück hätte einer grossen Theaterbühne keinesfalls funktioniert, ohne auf die wunderbaren Momente dieser Inszenierung verzichten zu müssen. Einzig die sonst gewaltige Orchestermusik ging im Keller unter und verfehlte somit ihre schauderliche Wirkung.