Coca Cola und Popcorn - West Side Story im Luzerner Theater

Das Luzerner Theater hat zur Premiere von «West Side Story» geladen und die Prominenz kam in Heerscharen. Nebst ehemaligem Magistraten mit nationalem Format, lokaler Cervelatprominenz und vielen anderen bekannten Zeitgenossen war auch Kulturteil sich nicht zu schade, diesem Event beizuwohnen. Priska Zemp alias Heidi Happy war ebenfalls geladen, ob sie da war, entzieht sich der Kenntnis des Schreibers.

(Bilder: Ingo Höhn/dphoto.ch)

Gesungen wurde trotzdem; ich habe mir sagen lassen, dies sei so bei Musicals. Das Ganze klang wohlfeil gearbeitet. Für einmal nahm ich am Treiben auf der Bühne nicht aus Sicht der Parkettreihe teil, vielmehr erlangte ich in den Höhen des zweiten Ranges neue Erkenntnisse. Erstens: Das Luzerner Theater ist verdammt klein. So erstaunt es, dass sich in dieser prekären Raumsituation eine eingermassen akzeptable Akustik hinbringen lässt. Zweitens: Der Platz «zweiter Wahl» hatte einen weiteren Vorteil: Ich konnte mit grosser Übersicht dem Luzerner Sinfonieorchester bei seiner Arbeit zusehen.

Natürlich zog mich in erster Linie der poppige Bilderreigen auf der Bühne in seinen Bann. Das Effekthascherische ist dieser modernen «Romeo und Julia»-Adaption naturgegeben immanent: Das Auf und Ab an Gefühlen und Stimmungen, die Dichte an Emotionen sind wohl die Katharsis unserer Zeit. Die reduzierte puristische Bühne (Werner Hutterli) – sie besteht aus einer vom eigentlichen Bühnenboden abgesetzten Fläche, die in unterschiedlichen Mustern Licht abgibt – wird im Hintergrund von einer Feuerleiterimmitation abgeschlossen. Quasi als Ausgleich zur Schlichtheit wird versucht, mit Hilfe des Lichts (David Hedinger) ein farbenfrohes und üppiges Spektakel zu bieten. Trotzdem wirkt die Inszenierung als Ganzes streckenweise gar proper und rein, es beschleicht einen das Gefühl, Biedermanns wären tatsächlich umgezogen. In der Pause konnte ich meine Kränkung über den Platz «zweiter Wahl» beim VIP-Apéro runterspülen (Cüpli). Beim Verlassen des Saals stolperte ich fast über Samir, der sich mit Moritz Leuenberger unterhielt. Ich traf alte Bekannte und führte angeregten Smalltalk darüber, welche Zukunft dem Luzerner Theater droht, wenn Stücke wie «Biedermanns.umgezogen» Zusatzvorstellungen bekommen, «Schuld und Sühne» aus dem letztjährigen Spielplan hingegen nicht verlängert wurde. Vorerst stimmte man darin überein, dass ein Theater auch nur ein Unternehmen ist, welches mittels «promigenerierter» Medienaufmerksamkeit einen möglichst hohen return on investment erzielen muss.

Zurück im Theater – der VIP-Apéro fand ausserhalb statt – war der blaue Fussboden in den Gängen des Theaters mit Popcorn durchsetzt. Offenbar hatte das Luzerner Theater die famose Idee, in der Pause Coca Cola und Popcorn zu verteilen ... Zurück im Theatersaal war ich erstaunt, dass niemand während der Vorführung Popcorn verzehrte. Ach, liebes Luzerner Theater, ich habe keine Lust, Theaterabende nur noch in Zürich geniessen zu können! Die Kür des Dreispartentheaters sollte man sich erst nach der Pflicht erlauben.

Bis 17. Juni im Luzerner Theater Rick Stengårds (Musikalische Leitung), Tatjana Gürbaca (Inszenierung), Kinsun Chan (Choreografie), Werner Hutterli (Bühne), Ingrid Erb (Kostüme), Dr. Christian Kipper (Dramaturgie)