Blitzkrieg in der Disco

Die Geschichte, die in «Rose is a rose is a rose is a rose» erzählt wird, hätte ebenso gut wirklich in diesem Lokal – dem UG des Luzerner Theaters – ihren Anfang nehmen können. Zwei junge Menschen begegnen sich in der Disco und verbringen die Nacht miteinander. So ist es denn nicht weiter verwunderlich, dass die Bühne (oder wie hier sprichwörtlich der Bühnenraum) ziemlich unbelassen – eben wie eine Disco – daherkommt: ein DJ-Pult (das zwischendurch auch als Sofa herhalten muss) ins vordere Drittel gerückt und eine für den Raum eher zu gross gehaltene Leuchtkugel im Hintergrund. That's it, vorerst. Aber, es ist keine gewöhnliche Nacht, die da ihren Lauf nimmt ... Sie endet im Tumult.

Zu Beginn laufen die Zuschauer geradewegs an einem eng umschlungenen Paar vorbei, das sich, noch bevor die Aufführung startet, unentwegt zum leisen Geräusch einer Platte mit Sprung im Kreis dreht. So dreht sich denn auch das auf der Bühne Vorgetragene im Kreis; es beginnt mit dem Schluss: Das Paar (gespielt von Daniela Britt und Samuel Zumbühl) blickt zurück, um so wieder am Anfang anzukommen. Nicht der einzige Kreis, der sich an diesem Abend schliessen wird. Der von Gertrude Stein entliehene Titel «Rose is a rose is a rose is a rose» ist eine offensichtliche Wiederholung – und steht mit dem Symbol der Rose für die Liebe schlechthin. Wer nun aber platte Romantik mit Kerzenlicht und Liebesgeflüster erwartet, findet sich bald enttäuscht. Der sanfte und liebevolle Umgang, den die beiden sich anfangs angedeihen lassen, weicht schnell einem ruppigen Gegeneinander. Mitunter geht es deftig zur Sache: So wird die Erinnerung an die Liebesnacht unter anderem so umschrieben: Ich habe ihm sein Trommelfell durchstochen. /// Ich habe ihr alle Knochen gebrochen. /// Sie liebten sich, als würden sie sich prügeln. Diese vermeintlichen inhaltlichen Gegensätze bringt die kroatische Autorin Ivana Sajko gekonnt zusammen und Sara Barosco (Regie) zeichnet so ein vielschichtiges Stück über Anziehung und Abstossung, über Vereinigendes und Unvereinbares.

Der treffend gewählte Titel bringt ein Grundproblem der Liebe auf den Punkt: dasjenige des Selbstbezuges. Sajko bezeichnet ihr Stück denn auch als eine autopoetische Schlussfolgerung. Diese Thematik zieht sich nicht nur wie ein rotes Band durch den ganzen Abend, sondern gleichsam plastisch in Form eines roten Arretierbandes durchs ganze Bühnenbild (Bühne: Kathrin Schulze) und den Zuschauerraum – sogar die Beleuchter (David Clormann und Gregor von Wyl) werden eingerahmt. Ergo alles Relevante, das an diesem Werk mitschaffen und mitwirken soll ... und wird, denn es funktioniert! Die beiden Darsteller (gemeinsam zur Zeit auch im eher mässig inszenierten Stück «Der zerbrochne Krug» im Luzerner Theater zu sehen) zeigen – den einen oder anderen Premierenlapsus getrost übersehend – eine überzeugende schauspielerische Leistung. Sie tragen das rund 70-minütige Schauspiel ganz auf sich selbst gestellt und verleihen dem Text die notwendige Glaubwürdigkeit und Authentizität. Da störe ich mich auch nicht am stummen roten Fisch, der gegen Ende des Stücks wie ein Gott aus der Maschine die Bühne betritt und mich am Ende eher fragend zurückbleiben lässt – oder aber als Irrlicht der Missverständnisse und Disjunktionen gedeutet werden kann. So setzt er sich denn in einer Szene prominent wie eine Wand zwischen die Protagonisten. Von dem sich draussen anschwellenden Tumult bleiben die beiden Protagonisten verschont; die geworfenen Molotow-Cocktails und explodierenden Busse lassen sie unberührt. Narben behalten sie trotzdem. Es gibt nur Ich und Du, Sie und Er. Schliesslich, tragisch aber wahr, muss sich jeder selbst genügen. Auch wenn in dieser Nacht zwei junge Menschen diesen Graben auf alltägliche, aber gerade deswegen auf so wundersame Art und Weise, zu überwinden versuchen. Liebe kommt und geht ...

Aufführungen bis 13. März im UG des Luzerner Theaters