The Big B beim Tanz auf verschiedenen Hochzeiten

Kriens, 15.6.-16.6.2012:Das B-Sides ging auch am Freitag und Samstag abwechslungsreich und vor durchwegs friedfertigem, gutgelauntem Publikum über die drei Bühnen. Wo das Licht ungebremst auf den Sonnenberg einfiel, kam es hin und wieder höchstens zu kleineren Schattenwürfen.

Viel Raum für Kunst Gesehen haben es viele. Donnerstag und Freitag waren mit jeweils 1300 Ticket-Besitzern ausverkauft. Das B-Sides-Festival konnte sich heuer aber auch sehen lassen – seinem Line-up und nicht zuletzt der allgegenwärtigen Deko-Kunst oder Kunst-Deko wegen. In zahlreichen Objekten, die zur Ersteigerung frei standen, wurden unter anderem die Farben der Festival-Maskottchen-Biene in Szene gesetzt und in ansprechender Komposition auf dem Gelände ausgestellt. Selbst das Programmheft erschien in künstlerisch hochwertiger, liebevoller Comic-Gestalt und wurde zum beliebten Anschauungsobjekt an vielen Bierbänken. Schade nur, dass es einen einfachen Programm-Zettel in einem Punkt nicht übertrumpfen konnte: Die Spielzeiten standen nicht drauf! Leider fehlte auch jegliche Form von Beschilderung an der Bühne als Informationsersatz, welcher die gerade aufspielende Band sofort verraten hätte. Eine Vereinigung von Kunst und Funktionalität gelingt eben auch diesen Veranstaltern nicht immer bis hin zur Perfektion, aber seis drum. So musste man manchmal eben ohne vorgefertigtes Bild an die verschiedenen Konzerte pilgern, was ja auch etwas für sich hat.

Die Highlights vom Freitag Peter Licht, beschreiben wir ihn mal als Pop-Sänger von Texten in analytischer Sprache mit philosophisch-komischem Inhalt, setzte als Hauptact am Freitag seine Kunst gar wider den gängigen Pragmatismus vom Zuschauer-Band-Beziehungsaufbau ein. Wer den deutschen Musiker auch von Konzerten vor seiner eingefleischten Fangemeinde her kennt, weiss: Diesen gibt er mehr Zucker, das B-Sides bekam dafür mehr hartes Brot. Mit einem selbst für Lichts Begriffe langen Gedicht als Einstieg, schlenderten Schaulustige anfänglich nur harzig zur Hauptbühne - aber «keiner gehört sich selbst», versteht sich. Mit der Zeit vergrösserte sich die Menge von Interessierten und liess sich mitreissen von kraftvollen Songs wie «Wettentspannen», worin Peter Licht in zunehmend ekstatischer Fassung predigte: «Es gibt einen graden Weg». Verschlungen und unüberwindbar war der Weg hingegen, den er dem Publikum zum Mitsingen anbot. Ausgerechnet bei einem der unbekanntesten und schwer zugänglichsten Lieder namens «Benimmunterricht» sollte es sein. Klar scheiterte der Zuschauerchor und offensichtlich wurde Lichts Hang zur Dekonstruktion – eben auch was Performanz angeht. Einige gesüsste Häppchen warf er den Hinzugekommen dann doch noch vor, damit sie beispielsweise zur «transsylvanischen Verwandten» ihr Tanzbein schwingen durften. Zu dem vom Ansager angekündigten Hit «Sonnendeck» liess sich der Deutsche aber auch durch die langanhaltenden Zugaberufe nicht verführen. Einen ganz anderen Kontrast zum Indie-Elektro geladenen Programm zauberten an diesem Abend die noch sehr jungen Amerikaner Mikal Cronin auf die Zeltbühne. Da strahlte für die Dauer ihres Konzertes der beinahe schon totgeglaubte Old-School-Garage-Rock nochmals richtig schön auf. Eine überschaubare, aber fleissig applaudierende Audienz wusste dies offensichtlich zu schätzen. Über grossen Zulauf konnte sich die schwedische Elektroformation The Field freuen, welche die Massen mit treibenden Beats und ungewöhnlichen Soundeffekten in einen Partytrancezustand zu versetzen mochte.

Ein Samstag von Schwermut bis Hochglanz-Frohsinn Einen speziellen Akzent des Nachmittags setzten Bismuth feat. Yuri Landman aus Holland, welche zuvor am Festival einen Workshop zum eigenhändigen Instrumentenbau angeboten hatten und die klanglichen Qualitäten dieser Objekte schliesslich auf der Zeltbühne präsentierten. Die gewöhnungsbedürftigen, experimentellen Klänge, die anfänglich an höllische Kirchenglocken erinnerten, wichen mit der Zeit einem nach Postapokalypse riechenden, spannenden Erzählteppich. Leider war der ganze Nachmittag etwas stark von melancholischen und düsteren Noten geprägt. Eine Zeit lang schien die Stimmung am Festival vielleicht deswegen etwas gelähmt unter einer doch eigentlich hochsommerlichen Sonne. Damit hatte das Portico Quartet aus England mit seinen feinfühligen Melodien genauso zu kämpfen wie die US-amerikanische Sängerin Julia Holter. Auch ihre schön-schwermütigen Songs vermochten trotz der klaren Stimme irgendwie nicht ganz zu zünden und hielten so manchen nicht vom gleichzeitigen Wurstverzehr ab. Für eine erste Auflockerung sorgten die Zürcher Tom Huber mit ihrem Konzert auf der Bohemians-Welcome-Bühne. Dank ihrer bunten Mischung aus Folk, Rock, Indie, Metal und noch vielem mehr sprang der Funke hier über und sorgte für gute Unterhaltung. Über ihre vielleicht nicht immer ganz so kreativen Texte tröstete eine schöne, tiefe Männerstimme hinweg, die sich so manches Country-Herz nur wünschen könnte.

Weiter ging es dann aber auf der Hauptbühne mit einer geballten Ladung Energie vom Fünfergespann Breton aus England – eine Band, die den Publikumskontakt übrigens auch in den Shuttlebussen nicht scheute. Diese Indierock-Gruppe, welche viel Herzblut und Spass auf der Bühne demonstrierte, lieferte mit eingängigen Elementen eine ideale Basis für alle Tanzwütigen unter den Festival-Besuchern. Wem dies allerdings «to cool for school» und zu urban-dance-mässig war, der konnte sich an einem der vielen Minikonzerte der Schweizer Country-Truppe Ophelia’s Iron Vest erfreuen. Zu diesem Zeitpunkt gastierte die Geländeband gerade vor der Aussichtsplattform und unterhielt bestens mit einem Sänger, der zwischendurch in Pseudo-Südstaatenenglisch aberwitzige Storys erzählte und in gleicher Manier zu seinem Banjo trällerte.

Einen besonderen Spezialfall für Auge und Ohr gab es während dieser Samstagnacht mit King Khan and the Shrines auf der grossen Bühne und in grossem Stil zu sehen. Da stand ein Sänger in Glitzerumhang und riesigem Federhut vor einem Grossaufgebot an Musikern. Dieser schmetterte seine zweifelsohne auch grosse Stimme zusammen mit einem fast schon an James Brown erinnernden Auftritt auf das B-Sides los. Das Konzert deckte eine Mischung aus Soul, Funk und Rock ab und schien aus längst vergangenen Zeiten zu stammen – der Frontmann aber von einem anderen Planeten. Obs daran lag, dass dies trotz Qualität und betonter Launemache alles nicht ganz echt wirken wollte und das Feuer im Publikum gemessen an jenem auf der Bühne mehr hätte brodeln sollen, sei dahingestellt. Ein letztes Zückerli wartete schliesslich mit der regionalen Berühmtheit Alvin Zealot auf der kleinsten aller Bühnen. Ein durchwegs zufriedenstellendes und vor allem energiereiches Konzert war von ihnen zu hören, das für einen gelungenen Abschluss des Festivals sorgte. Einzig die Bemerkung des Sängers, es wäre ihnen auch noch eine grössere Bühne angeboten worden, man hätte aber abgelehnt, fand wohl vor allem er selbst witzig. Wegen des grossen Andrangs mussten sich nämlich allzu viele gegen die Zeltstangen und -wände drücken lassen. Für «echte» Bohemians hoffentlich zu verschmerzen. Schliesslich ging die flauschige Maskottchen-Biene «Big B» während des ganzen Open-Airs mit gutem Beispiel voran. In ihrem dicken Kostüm hüpfte, winkte und tanzte sie auf Konzerten aller Art zur Animierung des Festivalvolkes. Ein bisschen Disneyland verträgt nun mal auch ein B-Sides.