Audiovisuelle Experimente

Südpol, Kriens, 07.06.2018: Im neusten Residenzkonzert im Südpol zeigen die vier Künstler von C N R G eine fesselnde Symbiose aus improvisierter Musik und visueller Stimulation.

 

Im Club des Südpols erfüllt ein metallischer, gespenstischer Klang den Raum. Nur eine weisse Linie zieht sich waagerecht von der einen Seite zur anderen, wie das Elektrokardiogramm eines Sterbenden.

Gemächlich schlendern vier Männer auf die Bühne und nehmen ihre Plätze ein. C N R G nennt sich diese Konstellation, abgeleitet von den ersten Buchstaben der Vornamen ihrer Mitglieder. Es sind Christian Zemp (g), Niculin Barandun (visuals), Raphael Loher (p), und Gerry Hemingway (dr). Zemp, Loher, und Hemingway spielen schon seit dem Herbst 2016 zusammen, Barandun stiess 2017 dazu. Im Fokus der Performance scheint auf den ersten Blick die Leinwand zu stehen. Die vier Musiker sind links und rechts davon positioniert. Aber was wirklich bei C N R G im Zentrum steht, ist Improvisation. Und das gilt für alle vier Mitglieder.

Das statische Dröhnen verschwindet langsam, die Instrumente erklingen, die weisse Linie beginnt sich zu bewegen. Die vier Künstler beginnen jeden Song an einem augenscheinlich fixen Punkt und lassen sich von dort aus gehen. Neben ihren Hauptinstrumenten hantieren alle Musiker auch noch mit elektronischen Hilfsmitteln, Synthies und diversem anderen Zubehör, spielen irgendwo zwischen Darkjazz und Industrial, mit einer Menge Wendungen und Stopps dazwischen. Es wird aufgebaut, hochgebauscht, fallen gelassen, wieder aufgegriffen, laut aufgedreht, ein Vakuum geschaffen. Nie ist es zu viel, zu wirr oder zu langweilig.

CNRG

So wirkt Lohers Pianospiel mitunter beruhigend, vermittelt das Gefühl einer verrauchten Film-Noir-Bar, und gibt wohl den vertrauenswürdigsten Boden. Dann aber dreht die Gruppe auf und die verzerrte Gitarre mischt sich ein. Zemp erzeugt auf seinem Instrument eine Unzahl an Geräuschen. Eines davon klingt beispielsweise wie das Wetzen einer Klinge – angenehm unangenehm. Hemingway hechelt und knurrt am Schlagzeug wie ein tollwütiger Tasmanischer Teufel, haucht auf die Felle vor ihm, spielt zuckende, sich windende Rhythmen. Man fühlt sich immer mal wieder an Trent Reznor erinnert und viele der Klangstrukturen würden auch perfekt in einen David-Fincher-Film passen.

Die Visuals sind dabei nicht bloss reine Dekoration, sondern viel mehr. Die Linien bewegen sich ekstatisch, wabern, zucken, und verändern sich. Barandun spielt seine Software wie ein Instrument. Plötzlich sind es andere Muster, die im Vordergrund stehen, Raster, Netze. Man ertappt sich dabei, wie man das Gesehene zu interpretieren versucht. Sind das Vögel? War das ein Elefant? Man wird von den kryptischen Linien und Punkten in den Bann gezogen. Es ist irgendwie faszinierend zu wissen, dass auch diese Visuals live entstehen. Aber nie lenken sie zu stark von der Musik ab. C N R G trifft mit sicherer Hand eine dynamische Ausgeglichenheit aller beweglichen Teile.

Nach dem fulminanten, lauten, und mitreissenden Abschluss, bei dem sich die Musiker kaum noch auf den Stühlen halten können, bricht endlich auch im Publikum der Applaus los. Die vier Männer schlendern ab der der Bühne. Es wird wieder still, die Leinwand bleibt schwarz.