Der Graf gibt sich zum zweiten Mal die Ehre – Count Gabba im Sedel

Nicht mal zwei Jahre nach «The Lady’s Gone – The Song Remains» (siehe hier) hat Count Gabba am Samstag im Sedel seinen zweiten Silberling vorgestellt: «Country Noir». Dass die Scheibe nicht standesgerecht auch auf Vinyl zu haben ist, war der einzige Wermutstropfen.

[Läck, dass man auch immer derart viel saufen muss bei diesen Anlässen. Wie soll man da je pünktlich seine Kritik bloggen können? Und dabei hat man doch erst am Abend zuvor im Industriestrassenkeller seine Leber so gründlich trainiert …]

Nun denn. Den Auftakt machten The Storehouse, über die man sicher etliches an grundlegenden Informationen bieten könnte, hätte nicht MySpace den schnellen Freitod gewählt, die Hälfte der Belegschaft entlassen und sämtliche Profile abgeschossen. Die beiden Jungs spielen klassischen Boogie, gepaart mit Blues- und Rockabilly-Elementen, und zwar mit einem interessanten Konzept: Sowohl Kontrabass wie Gitarre und Stimme werden nur über kleine Comboverstärker verlautet, die vor den Musikern am Bühnenrand stehen, wobei vor allem die beiden Gibson-Amps des Gitarristen und Sängers auffielen, sie hatten Jahrgang 1948 (Stimme) und 1955 (Gitarre). Die Gitarre selbst war eine Gibson ES 150, also ohne Cutaway, mit zwei P90-Pick-ups versehen. Gespielt wurde sie in schönem, urtümlichem Drei-Finger-Picking; der Bass, immer slappend angeschlagen, lieferte dazu Grundtöne und Perkussion. Eine schöne, alte Besetzung, traditionell gespielt, urchig in Sound und Anmutung. Durchaus eine Empfehlung! Dann enterte der Count die Bühne. Bemerkenswert, wie der altgediente Ex-Punkrocker (Meyer) sich auf die Wurzeln der populären Musik besinnt und sich liebevoll und sorgfältig austariert in schönstem Folk Country ergeht.

Die Besetzung quasi unplugged: Drums (Lord Trax – in seiner Geheimidentität einer der besten hiesigen Drummer neuer Generation und für das Jazz Festival Willisau verantwortlich), Clodophon The Breakwater (dito begnadeter Kontrabassist und Neuvater, mit ausgesprochener Abneigung gegen deutsche Liedtexte, tamisack!), Lady Clarissa an der Violine (verblüffend, wie die an 17 Konservatorien streng klassisch Ausgebildete zu rocken vermag), der Count himself an der akustischen Gitarre (mit einem einzigen, allerdings tatsächlich gelungenen Solo) und die Entdeckung des Abends: Steve «The Gravedigger» Rabbit an Gitarre und Banjo.  Um den Unplugged-Charakter beizubehalten, spielte der Gravedigger nicht auf einer elektrischen, sondern auf einer nylonbesaiteten Wandergitarre, die er über den Verzerrer jagte und mit der er sich in ungeahnte Höhen der Virtuosität fidelte.

Die Musik ist eher noch entrockter als auf dem ersten Album, sie kommt authentischer, also countryesker daher. Um diesen Eindruck zu fördern, greift der Gravedigger durchaus mal zum Viersaitenbanjo und Clodophon zur Lap Steel (und der Graf zum angestammten Rickenbacker-Bass). Man betreibt dezente, aber gepflegte Mehrstimmigkeit; als verwöhnter Kauboi wünschte man sich dabei allerdings etwas mehr parallele hohe Terzen. Bass und Schlagzeug funktionieren gewohnt präzis – angesichts der Qualität der Musiker hätte alles andere auch überrascht. Die Wanderklampfe kontrastiert sehr schön zur Violine, vor allem wenn diese pizzicato angespielt wird; des Grafen Rhythmusarbeit ist solid, das Lingo wird also durchwegs eingehalten. Umso echter klang es, als TobTob als Gastmusiker die Bühne betrat, seines Zeichens Mothers-Pride-Frontmann und Rockveteran. Der Kerl brachte tatsächlich eine Mandoline mit! Die Songs sind schön komponiert und arrangiert und werden mit ausgefeilter Dynamik vorgetragen; die Texte – wie nicht anders zu erwarten bei diesem Genre – behandeln natürlich in erster Linie Herzensangelegenheiten, gern in unerwarteten Lines: «The guy who knocked you up is the guy who knocked me down […] I’m far too drunk to fuck.» Sehr schön auf den Punkt gebracht. Des Grafen Vortrag erfolgt in schönem Englisch mit kaum wahrnehmbarem Akzent, allerdings dünkte er uns nicht ganz so gut bei Stimme gewesen zu sein an diesem Abend.

Die Rauheit verlieh der Musik jedoch eher noch mehr Reiz. Die Band tritt mit grosser Spielfreude an und ist hervorragend eingespielt, über des Grafen Liebenswürdigkeit und Begeisterung auf der Bühne müssen keine Worte mehr verloren werden – hingehen und selber schauen! Und die Platte kaufen! Ein Wort noch zum Lokal: An diesem Abend hat im Sedel alles gestimmt – Sound und Lautstärke waren top, das Barteam effizient und freundlich. Ein Grund mehr, sich am 4. Februar ebendort den Tiger Lillies hinzugeben: Nicht verpassen!