Revenge Of The Freaks – CocoRosie in der Schüür

In der Schüür ist grosse Konzertwoche: Am Montag spielten Soulfly (hier nachzulesen), am Dienstag Anthrax und gestern, na logisch, CocoRosie. Die beiden Schwestern Sierra und Bianca Casady haben sich dem Status eines Geheimtipps längst entledigt und dementsprechend war der Besucherauflauf gross.

Von Stefan Zihlmann

Eins Vorneweg, ich bin nicht der grosse CocoRosie-Freund. Also positionierte ich mich hinten bei der Bar, wie es Schreiberlinge so tun, trank ein Bier und klemmte den Kugelschreiber hinters Ohr. Auf die Plätze, fertig, los.

Vor Jahren spielten die beiden Schwestern noch vor vierzig Leuten in der Boa-Bar. Diese Zeiten sind vorbei. Heute mischen sie ganz vorne mit bei den Präfix-Folk-Combos, den sogenannten Weird- oder Freakfolk-Künstlern. Wie in diesem Genre nicht aussergewöhnlich, wird einem hippiesken Lebenswandel gefröhnt. Auf der Leinwand erscheinen Videoanimationen in allen erdenklichen Farben. Die ersten beiden Songs werden nur durch den Flügel begleitet. Ein etwas langatmiger Einstieg. Beim dritten Song kommt ein Schlagzeuger hinzu, das Ganze bekommt nun mehr Elan. Wie in diesem Genre nicht aussergewöhnlich, wird ein breites Instrumentarium benützt. Auch eine rasselnde Kette kann ein Instrument sein. Aber darauf muss man erst kommen. Es sind halt beide Freaks.

Wenn man die Songs, die sie gestern spielten, ein bisschen unter die Lupe nimmt, muss man gestehen, dass die Arrangements eher konventionell ausfielen. Die quäkende Stimme von Bianca Cassidy fällt da aus dem Rahmen. Das klingt zum Teil wirklich schräg. Glücklicherweise verfügt ihre Schwester Sierra über eine klassische Gesangsausbildung. Das konnte vieles kompensieren. Ausser ihrer Arien, die sie dann und wann ansetzte. Die klangen, als würde eine abgemagerte wagnerianische Walküre von der Bühne heulen, also auch ziemlich weird.

Sie gehören zwar zu den prominetesten Vertretern des New-Weird-America (noch so eine Bezeichnung aus den Musikheftli und Feuilletons dieser Welt), aber es gibt weiss Gott noch spannendere. Während CocoRosie eine Kinderparty mit lauter Autisten in einem Vorort von New York mit DJ Hipster an den Reglern sind, sind Animal Collective eine wildgewordene Rasselbande Spätpubertierender, die um ein Lagerfeuer in den Appalachen herumtanzen. Oder Joanna Newsom. Sie besitzt eine ähnlich quäkende Stimme wie Bianca Cassidy, verfügt aber über ein besseres Händchen für das Songwriting.

Ich will nicht zu schwarz malen. Das Konzert war alles in allem eine angenehme Angelegenheit. Doch wie die Visuals in der Endlosschlaufe repetierten sich auch die Klangeindrücke, die zum Teil auch nur bis zur Saalmitte drangen. Die esoterischen Höhenflüge liessen die Tiefe vermissen. Nichtsdestotrotz, CocoRosie machen sich prima im CD-Regal zwischen Radiohead und Björk. Abschliessen möchte ich mit einem Zitat eines Besuchers: «Ich bin der richtige Typ am richtigen Konzert – mit den falschen Leuten am falschen Ort.»