Architektur aus den Angeln heben

Wie nehmen wir Innenräume wahr? Woran orientieren wir uns? Wie funktioniert fotografische Repräsentation von Architektur? Gegenwärtig geht die Innerschweizer Künstlerin Barbara Davi im o.T. Raum für aktuelle Kunst in ihrer raumgreifenden Installation «Pillars and Panels» mit minimalen, spielerischen Eingriffen diesen Fragen auf die Spur. Im kleinen Raum gibt ausserdem der von Davi eingeladene schwedische Künstler Henrik Strömberg Einblick in seine fotografischen Erkundungen, in denen er ein geheimnisvolles Spannungsfeld zwischen Gegenstand und Abbildung ausbreitet.

(Von Andrea Portmann)

Einige wenige (etwa 15) Personen jüngeren und älteren Registers haben sich in der Hitze des gestrigen Tages im o.T. Raum für aktuelle Kunst, wo sich (bei offenem Fenster) Bauernhofdüfte und Kunst mélangieren, eingefunden. Auch die beiden Kunstschaffenden waren anwesend (siehe Foto). Die Stimmung war locker, der erheiternd kühle Weisswein gaumenschmeichlerisch, die Kunst anregend und die Gespräche erfrischend.

Die Innerschweizer Künstlerin Barbara Davi macht diejenigen Elemente des Raumes zum Thema, die in ihrer Dominanz besonders hervorstechen: vier Holzsäulen inmitten des Raumes. Mit einem ausgeklügelten Kunstgriff hat sie die Pfeiler der vier Säulen – sowohl oben als unten – vervielfältigt. Es macht nun den Anschein, als wäre der obere Säulenteil nach unten gespiegelt oder umgekehrt. Auf jeden Fall irritierend, vor allem auch, weil die dazugekommenen Pfeiler täuschend echt aussehen. Davi kehrt so die räumlichen Verhältnisse zu ihren Gunsten um, indem sie sich die Säulen künstlerisch aneignet, diese in skulpturale Objekte verwandelt. Gleichzeitig entsteht, markiert durch die Säulen, ein Raum mitten im Raum. Als Pendant zu dieser Arbeit, die sich räumlich manifestiert, können die drei luftig-leichten Papierarbeiten an der hinteren Wand gelesen werden. Hier wurden Schwarz-Weiss-Fotografien erhaben wirkender, sakraler Innenräume (mit der Schere) entleert. Ausgeschnittene Zwischenräume baumeln entlang von Säulen herunter, der Innenraum scheint sich aufzulösen. Diese Arbeiten sind direkt an der Wand angebracht, zwei von ihnen (wohl aus Gründen der Stabilisation) an Schienen, die bewirken, dass diese Architekturen fast ein bisschen wie Vorhänge aussehen. Überhaupt rückt hier nicht unbedingt der repräsentierte Raum ins Licht, sondern vielmehr die Textur, die Materialität des Papiers.

Auch an der gegenüberliegenden Wand trifft man auf kritische Erkundungen fotografischer Repräsentation von Innenräumen: Hier greift Davi ebenfalls zur Schere – wodurch sich beispielsweise plötzlich zwei schräge weisse Wände in einen Innenraum drängen und diesen aus den Angeln heben oder sich ein schwarzes, organisches Gebilde in einen Raum einschreibt – oder sie verfremdet eigens fotografierte Innenräume digital. Etwas einsam wirkt in dieser gerahmten Bilderreihe (die schwarzen Rahmen sind, dies sei nur am Rande erwähnt, etwas unpassend, verpassen den Bildern einen zu designten Touch) eine ungerahmte, ausgeschnittene, schwarz eingefärbte triumphbogenähnliche Architektur, deren Säulen unten fein eingeschnitten wurden. Diese «Zöttelchen» tanzten sanft im lauen Windchen, das durch den angenehm temperierten Raum weht und die Monumentalität, die eine solche Architektur sonst evoziert, scheint ebenfalls wie vom Winde verweht.

Wie nahe Architektur eigentlich bei der Textur, beim Textilen ist, und somit über das Verwobene auch wieder bei der Natur, beim Organischen, kann man in einer Ecke des Raumes an einem Ast nachvollziehen, aus dem eine «Zöttelchen»-Bordüre wächst, die sich in einigen mäandrischen Schlenkern am Boden um einen Karton windet.

Die Sensibilität für (Innen)Räume, deren Repräsentation und unsere Wahrnehmung derselben spiegeln sich in der sorgfältigen Ausstellungsgestaltung wieder. Die einzelnen Arbeiten funktionieren eigenständig, für sich stehend, und doch entspinnt sich zwischen ihnen ein subtiles Verweisspiel.

Im kleineren Raum findet man die Schwarz-Weiss-Fotografien Henrik Strömbergs vor. Den Zugang zu seinen Arbeiten zu finden, braucht etwas Zeit. Er setzt beispielsweise eine Schwarz-Weiss-Fotografie einer Waldlichtung einer stark abstrahierten Fotografie gegenüber, bei der man lediglich aufgrund gewisser Umrisse vage erahnt, dass es sich ebenfalls um eine Aufnahme einer waldigen Umgebung handelt. Bei längerem Betrachten seiner Bilder kommt man allmählich von diesem Reflex des identifizieren Wollens los und lässt sich auf die Texturen, die Lichtspiele, die Farbnuancen ein.

Noch bis 12. Juli, o.T. Raum für aktuelle Kunst, Eichwaldstrasse 27a, Luzern. FR und SO 16.30-18.30 Uhr, SA 13.30-16.30 Uhr oder nach Vereinbarung.