Ein bisschen Beton gegen ganz viel Brot

o.T. Raum für aktuelle Kunst, 29.01.2014: Alle paar Monate gibt es im Kunstpavillon an der Sälistrasse eine Ausstellung, die das Kollektiv um den o.T. Raum für aktuelle Kunst organisiert. Zum Auftakt gestalten Eva Maria Gisler und das Künstlerduo Rast.Beck zwei unterschiedliche Raumsituationen: atmosphärisch-unwirklich versus brachial-alltagsbezogen.

Biegt man beim Betreten des Kunstpavillons links in den grossen Raum ab, findet man sich in der sorgfältig arrangierten Rauminstallation von Eva Maria Gisler (* 1983 in Langenthal) wieder. Kleine Betonobjekte liegen über den Ausstellungsboden verteilt und anhand der Formen fragt man sich: gefunden oder gegossen? Teils gewollt geometrisch, teils bruchstückhaft anmutend, definieren die Betonfindlinge die Ausstellungsituation und verorten das Geschehen, auch dank des Ausstellungstitels «although they all look eastwards», in östliche Gefilde unseres Kontinents. Die Wände sind bestückt mit Fotografien, die grösstenteils während eines Reisestipendiums durch die baltischen Staaten und Russland erfolgt sind.

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Visuelle Verbindungen zwischen den Objekten und den Fotografien ergeben sich durch farb- und materialästhetische Aspekte. Beispielsweise mittels einer Abbildung einer Betonarchitektur, die sich irgendwo zwischen Aufbau und Verfall zu befinden scheint. Eva Maria Gisler platziert ihre Arbeiten in solche unwirkliche Zustände und versucht diese fotografisch festzuhalten. Dazu reiht sich eine Fotografie ein, die einen Aggregatszustand eines Moleküls zwischen losgelöst und gebunden zeigt.

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Eine rätselhaft anmutende Abbildung, die der Ausstellungssituation eine mystische Unwirklichkeit auferlegt. Aufgebahrtes Holz an einem Küstenabschnitt deutet ebenfalls nur marginal menschliches Dasein an und stellt vordefinierte Räumlichkeit und Zeitlichkeit in Frage.

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Kühl, karg und verlassen wirkt die Szenerie wie ein Landstrich in der Tundra. Ein atmosphärisches Gefühl, das sich auf den gesamten Ausstellungsraum von Eva Maria Gisler übertragen lässt.

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Wer nach links abbiegt, der sollte sich auch den rechten Weg vornehmen. Die pure Experimentierfreudigkeit des Künstlerduos Rast.Beck, das sind Adrian Rast (*1988 in St. Gallen) und Valentin Beck (*1986 in Malters), ist schon im Vorraum ersichtlich. Angehäuft und wie archäologische Fundstücke aneinandergereiht liegen Unmengen von Altbrot in verschiedenen Härtegraden im Kunstpavillon verteilt. Rast&Beck haben vor Ort experimentiert und haben ihr Arbeitsmaterial aus der Nachbarschaft zusammengetragen.

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Mit Hilfe eines Pyrolyse-Ofens (Holzvergaserofen) transformieren sie das Altbrot in Kohlestücke, die als Graphitstifte eingesetzt werden. Aus dem verkohlten Brot ist eine stattliche Anzahl monochromer Holzplatten entstanden, die entweder an den Wänden hängen oder angelehnt sind. Der expressive Umgang mit dem Material Kohle zeigt sich an den mit Fingerabdrücken und Schmauchspuren übersäten Wänden.

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Brot auf Holz lautet die technische Angabe zum Herstellungsprozess. Durch diese Abfallverwertung thematisieren Valentin Beck und Adrian Rast offensichtlich ökologische und ökonomische Faktoren, welche die Lebensmittelindustrie ebenso anprangern wie den Umgang mit einer wichtigen Ressource. Die ausgestellten Brotkohle-Zeichnungen sind mit ironischen Bildtiteln versehen, welche die vormaligen Altbrotbesitzer bei der Übergabe erwähnt hatten.

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Zusätzlich steht auf einem Sockel ein japanischer Bokashi-Behälter, ein Herstellungstopf für biologisches Allerlei mit Lasagneschichtenprinzip. Dabei wird abwechselnd organischer Abfall mit Steinmehl, Kohle und effektiven Mikroorganismen geschichtet, der entstehende Saft stets abgetropft und luftdicht versiegelt. Es entsteht ein Fermentierungsprozess mit antioxidativem Stoffwechsel, den die Kunstschaffenden auch gerne auf das heutige Gesellschaftsbild übertragen. Aufbauende und abbauende Bakterien definieren den Status Quo eines Mikroorganismus. Neben der Fermentierung wird auch die Verwesung auf spielerische Art und Weise in Kombination mit einer King-Kong-Plastikfigur angedeutet. Oder im Garten des Kunstpavillons stellen sich die beiden Künstler mit zusammengestellten Gegenständen die Mutter aller Fragen: Was ist Kunst?

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Die Ausstellung von Eva Maria Gisler sowie Rast.Beck ist noch bis am 28. Februar im o.T. Raum für aktuelle Kunst einsehbar.

Rahmenprogramm Samstag, 28. Februar, 16 Uhr. Mit Eva Maria Gisler, Valentin Beck, Adrian Rast und Renatus Zürcher, Künstler und Lehrer SfG Basel

http://www.ot-raumfueraktuellekunst.ch/

Öffnungszeiten: DO/FR: 15-19 Uhr. SA: 14-17 Uhr