Zwischen Froschschenkeln und Laptop-DJs – My Baby the Bomb & Play Patrik in der Bar 59

My Baby the Bomb und Play Patrik tobten in der Bar 59. Es gab einiges auf die Ohren, etliches auf die Leber – und zu viel monotones Bassdrum. Was hat es nur auf sich mit diesen 130 bpm? Wann fand die Gehirnwäsche statt?

Da kommt man einisch pünktlich, und noch nicht mal die Kasse ist in Betrieb. Öde Warterei! Immerhin liess sich dabei wunderprächtig lästern über den knallharten Recherchierjournalismus eines nicht näher zu nennenden Monopolblatts, das den Konnex von Konzertlokalität, Nr.-1-Radiostation und nicht existenten Froschschenkeln zum Skandal und eine friedliche Sauvage zum stadtbedrohlichen Terrorakt erklärt, um ein Januarloch zu stopfen, das keines wäre, nähme man sich der anstehenden lokalen Themen endlich mit der notwendigen Aufmerksamkeit und Kritik an. Aber eigentlich ists einem wurscht, und zwar am liebsten die mit Käse, frisch gebraten vom wie stets freundlichen Personal. Endlich beginnen My Baby the Bomb ihr Set. Die Bühne ist dicht gepackt mit Instrumenten, entsprechend dicht und abwechslungsreich ist der Sound. Und der schwierig zu beschallende Konzertraum spielt für einmal mit, in Schach gehalten von Mixer Oliver Bühlmann. Die seit zwei Jahren bestehende Band (vier Damen, zwei Herren) macht tanzbare Musik, Popsongs mit ausgefeilter Struktur und meist ausgeklügelten Arrangements, in voller Bandbesetzung mit zwei Keyboards, Bass, Gitarren, Schlagzeug und etlichem mehr. Sängerin Karin Steffen mäandriert mühelos zwischen souligem Druck und o’connorsch gehauchtem Kopfregister, immer wieder kontrastiert von der Gitarristin/Bassistin Nicole Heer gezielt zerbrechlich eingesetzter Stimme – man würde sich wünschen, diese vokale Harmonie einmal in Unplugged-Rahmen zu hören. Die in Halbmasken mit Federbüscheln auftretenden Damen liefern eine gute Show, haben eine starke Präsenz, ergehen sich ab und an in augenzwinkernden Tanzchoreografien, strahlen grossen Spass aus, der schnell auf das (zu fast drei Vierteln männliche) Publikum übergreift. An sich eine schöne, runde Sache – wäre da nicht das ewige Bassdrum. Was hat es nur auf sich mit diesen 120 bis 140 bpm? Wann kam es so weit, dass man Musik nicht mehr hören zu können glaubt, wenn nicht jeder Beat mit einem mächtigen Bassschlag markiert wird, der vulgär «Tanze!» brüllt und dem Zuhörer keinen Raum mehr lässt für eigene Interpretation? Es mag Konzept sein, die filigranen Songstrukturen mit der Monotonie des Bassbeats zu konterkarieren, es bleibt aber der schale Nachgeschmack einer gewissen Willfährigkeit, als würde man der Qualität des eigenen Songschaffens nicht ganz trauen und das Publikum mit der Bassmonotonie einlullen zu müssen glauben. Nichts gegen Tanzbarkeit! Aber als die Multiinstrumentalistin Mira Heller für einen Song ans Schlagzeug wechselte und in wohltuendem 70er-Discobeat lospreschte, wurde sogleich deutlich, dass eben diese Tanzbarkeit auch mit etwas Luft und weniger Zwang hergestellt werden kann. Und die Zugabe – so eine schöne Ballade! Und Mira Heller zauberte gar ein Harfenbaby hervor! – machte einem das grosse Potenzial der Band etwas schmerzlich bewusst. Nun, dem Publikum gefiels, es johlte jedes Mal, wenn das Bassdrum besonders dominant hämmerte –vielleicht ist man ja einfach schon zu alt. Ebenfalls von eher älterer Überzeugung sind die fünf Mannen von Play Patrik. Die Combo um den Theatermusiker Patrik Zeller wildert fröhlich in den Musikstilen, von Trip-Hop- über Element-of-Crime-Anklänge bis zu rüdem Ska; kaskadierende Liedperlen mit unerwartetem Akkordeon, pompösem Klavier und virtuoser Trompete, dargebracht mit herausragendem Time- und Dynamikmanagement, exaltierter Tanzspastik und viel Energie. Dezent eingesetzte Samplings ergänzen die traditionelle Instrumentierung, und Zeller singt Duette mit videoprojizierten SängerInnen (darunter die unglaubliche, Hühnerhaut generierende Nicole Herzog). Die Synthese von digitaler Virtualität und althergebrachtem Musikhandwerk ist spannend und stimmig. Leider hatte sich der Raum in der Zwischenzeit wieder seiner tiefen Decke besonnen, der Sound war laut, grell und wummerig. Und, wiewohl die Musik durchaus tanzbar war, liessen die Verschiedenheit der Tempi und das Fehlen des kontinuierlichen Hämmerbasspulses die mehrheitlich jugendlichen Zuhörer in den Barraum zu den Laptop-DJs flüchten. Ist es wirklich so, dass, was er nicht kennt, auch der Jungbauer nicht frisst? Nun, die Verbliebenen frassen – und genossen.