Zweimal Stahlberger in einem grossen Auftritt

Kleintheater, 13.9.: Wer ist der beste Mundartist im ganzen Land zurzeit und überhaupt? Konnte man ihn am Dienstag bei «B-Sides goes Kleintheater» ebenda erleben? Heisst er etwa King Pepe? Und wo bliebe dann Endo Anaconda? Fragen, auf die der Konzertbesuch definitive Antworten gibt.

(Bild: Adrian Elsener, eisbuero.ch)

Nach dem Vorprogramm kommen sie auf die Bühne. Sie? Das ist Stahlberger, Vorname Manuel, der erklären wird, dass «aus Fantasielosigkeit auch die ganze Band Stahlberger» heisst. Stahlberger im Singular also der Master Mind Manuel, im Plural: die ganze Band inkl. Manuel Stahlberger. Kurzum: Beide Stahlberger zählen. Die Band: ein Haufen gewiefter Cracks an Gitarren, diversen Tasten, Schlagzeug, Bass (dieser übrigens bedient von einem, der auch als Bit-Tuner bekannt ist). Namentlich: Michael Galluser, Christian Kesseli, Marcel «Bit-Tuner» Gschwend, Dominik Kesseli. Noch einmal: eine tolle Band! So schön laut wars übrigens, soweit wir uns zurückerinnern, im Kleintheater kaum einmal in den letzten 35 Jahren. Es wird gerockt mit Freude und Verve (und Können). Als mittlerweile ausgebuffte Festival-Erfahrene – kleines Wortspiel am Rande: gestählt durch gnadenlose Tourerei – wüssten sie nun, wies geht, mit Ansagen (von dem und dem Album, das hätten sie früher, mit einem Album geschweige denn ohne Album noch nicht tun können), mit Publikumseinschleimen («geht’s euch gut?). Stahlberger wollen geflissentlich darauf verzichten. Also, zwei Alben gibts schon. «Rägebogesiedlig» von 2009 und das diesjährige umwerfende, noch meisterlichere «abghenkt». Sie kommen aus St. Gallen und hätten sich schon gefürchtet. Denn: St. Gallen sei die sauberste und sicherste Stadt im ganzen Grossraum Bodensee (der bis ins Österreichische, natürlich Deutsche und sogar Liechtensteinische herüberlampe, so wenigstens Stahlberger). Dabei könnte Stahlberger Luzern gut kennen und sich eigentlich nicht fürchten müssen: Wie er im Kleintheater verrät, ist er einst im Wesemlin in den Chindsgi gegangen! Er fragt auch gleich in die Runde, wer mit ihm zusammen – es müssen ca. 30 Jahre her sein – eben im Chindsgi war. Wir sehen von unseren Logenplätzen aus nicht, wer alles gestreckt hat im Publikum unten. Nachrecherchen haben aber ergeben, dass Frau Z. (Name der Redaktion bekannt) sowohl im Publikum wie auch damals mit ihm im Chindsgi war. Manuel Stahlberger spricht längst St. Galler Mundart. Geht das überhaupt (gut), Mundart auf Ostschweizerisch? Es geht, und wie. Wenn man Stahlberger heisst. Es können fransige Sphärentöne sein, fröhlich-funkige Seventies-Disco-Sounds, taffer Rock oder folkig Angehauchtes (Stahlberger hat die akustische wie elektrische Ukulele mit dabei), darin, darüber die Texte, die sich weit weg von handelsüblichen patent-ochsnerischen Metaphernhubereien in einer ganz anderen Galaxie bewegen. Es ist auch nicht Liedermacherei, die, wenn nicht verschwurbelt, dann unerträglich explizit daherkommt. Es ist Stahlberger. Es ist nicht schwerbetroffene bekenntnislyrische Mundarterei, die Stahlberger produziert. Sondern abgelöst von einem privaten Ich Bilder und Zustandsbeschreibungen, in kleinen Song-Geschichten manchmal, nicht selten, um nicht zu sagen: oft, mit Wortspielereien durchsetzt und in dezentem melancholischem Grundton, Songs also, die eine, wenn wir so wollen, gesamtgesellschaftliche grosswetterlagige Befindlichkeit eben im Kleinen meinen. Und die in der Machart und Umsetzung sitzen wie kaum sonst etwas Vergleichbares. Die Titel sprechen Bände, zum Beispiel die ab «Rägebogesiedlig», die am Dienstag auch gespielt werden: «Klimawandel», «Bummler uf Rüti», «Gwaltbereiti Alti», «Hudelmoos», «Jede Scheiss isch e Chance». Es darf nicht fehlen: «Wanderwätter», quasi das «Znüni näh» von Stahlberger. (Leider) nicht gespielt werden «Monika» und «Sie hend Flashback gheisse». Aber es hat sonst genug gute Songs im Set, noch die neuen nämlich, als da wären unter anderem: «Creme», «Tandem», «Schnee», «Heimat», «abghenkt», «Immer wieder use», «Pünkt & Gschenk». Zum Schluss, nach den Zugaben, ein solo zur Ukulele über einen todtraurigen Mr. Schweiz. Wir geben schon mal vorsorglich sechs von fünf Sternlein.   Und die Eingangsfrage nach dem Besten? Die Antwort fällt unzweideutig und undiskutierbar so aus: Stahlberger UND King Pepe sind es, keine Widerrede gefälligst. Das Konzert hat es soeben wieder einmal bewiesen. Endo Anaconda (vom 23.–25.11. im «Stadtkeller», mit dem Has natürlich) steht ausser Konkurrenz über allem. Freuen können wir uns an ihnen allen.