Zither-Slapping mit Grätli und Maria Tanase revisited

Stans, 13.4.2013. Die 19. Stanser Musiktage gehen heute Sonntag mit einem Bergkonzert zu Ende. Ein kleiner Rückblick mit zwei ausgewählten Highlights geht hier ein auf österreichischen Elektro-Folk und betörende Streichmusik mit historischem Rumänien-Bezug.

Wo für uns alles anfing, geht’s am Samstag wieder weiter. Im Chäslager sind Matthias Loibner und Christof Dienz zu Gast. Christof Dienz, den man von einem früheren Gastspiel mit Die Knödel in Luzern kennt, war schon einmal in Stans. Damals allein, jetzt hat er einen Duo-Partner mitgebracht. Zur Einstimmung meinte der österreichische Zither-Spieler, er habe herausgefunden, dass Kitzbühel, wo er herkommt, die selbe Postleitzahl habe wie Stans (nämlich 6370). «Wenn ich mal in die Schweiz ziehe, dann sicher nach Stans.» Kollege Christoph Dienz wünscht sich mehr Licht im Publikum, weil er es gern sehe. Allerdings kommt er nicht gross dazu, sein Blick richtet sich vornehmlich auf sein Instrument und die Geräte. Es ist, von beiden praktiziert, höchstmoderne, heutige Musik auf uralten Instrumenten. Also: Musik für Drehleier, Zither, Grätli und einen Mac. Schon die Tonerzeugung entspricht nicht dem herkömmlichen Spiel. Matthias Loibners Drehleier ist eingestöpselt, er zupft auch direkt an den Saiten, verschlauft die Töne und loopt. Dasselbe auf Seiten von Christof Dienz: Neben eigentlichem Zither-Zupfen und gelegentlichem Arpeggio-Spiel wird da geklöpfelt, geslidet, geslapt, geschabt, ventiliert, geschlagen. Es ist ein dynamisches Auf und Ab, ein faszinierendes instrumentales Treiben der verschiedenen Klangverfremdungen. Das kann lange dauern. Das Eingangsstück bringt es auf satte 50 Minuten. Danach Loibner: «Das Stück hiess ‹Berg›, es folgt das Stück ‹Tal›»; das geht dann gut eine Viertelstunde, wie auch das dritte ihres Konzertsets. Man könnte es Ambient nennen, Elektro-Folk, mit «psychedlischem» Einschlag. Jedenfalls toll.

Am Samstag geht der Weg später weiter ins Kollegi hinauf. Angesagt ist hier das Alexander Balanescu Quartet. Der Ensemble- oder Band-Leader Balanescu, Jahrgang 1954, stammt aus Rumänien und hat als Geiger wie zusammen mit seinem 1987 gegründeten Quartett so manche Sparte kreativ bereichert. David Byrne, Peter Greenaways früherer Filmsoundtrack-Hauskomponist Michael Nyman oder auch Kraftwerk sind Namen von Balanescu-Kollaborationen (als Zugabe gibt’s dann prompt den flott gegeigten «Ohrwurm» von den deutschen Techno-Pionieren Kraftwerk: «Das Model» von 1978). Das Programm, welches das durch den Schlagzeuger Steve Arguelles erweiterte Quartett vorträgt, trägt den Titel «Maria T.». Dahinter versteckt sich, just zum 50. Todestag, die grosse rumänische Volkssängerin Maria Tanase (1913–1963). Es ist eine Art «monografischer» Zugang, der Leben und Werk verarbeitet. Da sind nämlich noch die Videos, nicht eher beliebige oder schwer in einen Zusammenhang zu bringende Visuals (wie es tendenziell bei den Bulgaren von Kottarashky  & The Rain Dogs am selben Ort am Freitag der Fall war; die machen Vergleichbares, aber mit viel Samples). Klaus Obermair (Österreich) hat bei Balanescu dokumentarisches und neues Videomaterial stimmig zur Musik gestaltet, mit Grossprojektionen, aber auch raffinierten Einzelbeams auf die Rückseite der Notenständer. Das in Rumänien bis heute kultisch verehrte Schaffen von Maria Tanase wird nicht einfach nachgespielt, sondern frisch neuinterpretiert. Es kann dabei zu Fällen von «Playback» kommen, wo zu Originalaufnahmen in Bild und Ton perfekt getimet live gespielt wird. Eine grossartige Performance, ein betörendes Nicht-Nur-Konzerterlebnis.