Wummern, Dröhnen, Tirilieren

Stanser Musiktage, 25.–30.4.2017: Konzerte, wo die Bässe und die Gitarren fehlen, viel gesungen wird, wo Welten in die Musik hineingeholt sind, Frauen den Ton angeben, Entlegenes zusammenkommt und Musik überhaupt grosse Freude bereiten kann. Mit anderen Worten: Bericht aus Stans vom Mittwoch und Donnerstag.

Halb tout Lucerne (warum eigentlich?) findet sich am Mittwoch ein zum Konzert von Riff Cohen. Der Programmzusatz «feat. Ravid Kahalani from Yemen Blues» meint, dass der quirlige Kahalani mit seinem auffälligen Rasta-Langhaar als Gast mit dabei ist. Er ist es denn auch, der, auf der Kollegi-Bühne herumwirbelnd und das Publikum animierend, etwas (mehr) Stimmung in die Bude bringt, als er nach einigen Nummern sich zu den andern gesellt. Die israelisch-französische Sängerin Riff Cohen ist mit ihrer vierköpfigen Band nach Stans gekommen, wo Gitarrist Ofer Mizrahi auch Trompete spielt und sich Schlagzeuger Haggai Fershtam prompt den Preis für die beste Frisur (Afro) des Festivals abholen könnte. Einen Bassisten sucht man vergebens. Wenn schon Bass (und Beats), dann kommen es ab Maschine, für die Atar Mayner an den Keys und am Macbook zuständig ist. «Ethno-Fusion» hätte man dem früher wohl gesagt: Der Sound von Riff Cohen, die auf Englisch ansagt, französisch, hebräisch und arabisch singt, ist nur schon geografisch-biografisch begründet wahre Weltmusik, ein Mix aus Traditionell und Elektro-Modern, Pop mit einer zünftigen Prise Funk.

riff cohen

International die Besetzung in der Mürg bei A Novel of Anomaly. Wirklich nicht normal, was die vier zu bieten haben: der Italiener Luciano Biondini an der Handorgel, der Finne Kalle Kalima an der Stromgitarre, der Berner Andreas Schaerer am Gesangsmikrofon und der Ustermer Lucas Niggli am Schlagzeug. Das ist nicht nur eine Band mit Mitgliedern, die zu den favorisiertesten Musikern von SMT-Programmgruppenchef Marc Unternährer überhaupt gehören, es ist eine veritable Allstar-Band – und ein grossartiges Ensemble sowieso. Das bassfrei auftretende Quartett spielt Stücke aus unterschiedlichen Orten, die, so Andreas Schaerer, man eigentlich gar nicht gross ansagen müsse, man merke es schon selber. Geschenkt, wenn er italienisch oder finnisch singt. Er singt aber auch ohne Text, virtuos-famos, eine Ausnahmesänger vor dem Herrn, zwischenhinein auch Trompetentöne imitierend, schnalzend und klackend und überhaupt das Ausdruckspektrum des Vokalen grandios ausschöpfend, inklusive Tirilieren. Die Band groovt, rockt und findet immer Zeit für solistische Ausflüge von allen vieren. Man darf es durchaus auch Jazz nennen.

anomaly

Jazziges gibt es am Donnerstag im Kollegi bei Fatima & The Eglo Live Band. Hier endlich ein Bass, und erst noch einer, der eine (fünfte) Saite zuviel hat... Dafür fehlt in der Besetzung eine Gitarre. Jazz ist hier aber nur der Vorname, Fatima Bramme Sey hat natürlich auch undd vor allem den Soul, den sie kräftig im Verbund mit der englischen Band intonieren kann, ebenso innig-dicht mal phasenweise nur zum Fender Rhodes von Keyboarder Sam Crowe. Ein Label, das hier passt: R’n’B, aber ohne Schmusefaktor.

Am Donnerstag zeigt sich die Kapuzinerkirche rappelvoll. Die mit den Stehplätzen haben Glück: Sie können sich vorne hinsetzen, auf die Stufen des Chores, mit dem Vorteil, den Blick auf die Orgelempore gerichtet zu haben. Denn dort spielt die Musik: Anna von Hausswolff mit Band. Vom Chor gehen sie durchs Mittelschiff zur «Bühne» hinauf, wobei wir beobachten können, wie zierlich die Künstlerin, die auch gut 10 Jahre jünger als ihre 30 Jahre aussieht, ist. Ziemlich unzierlich ist nämlich der Sound der Schwedin. Es ist, dem sakralen Instrument Kirchenorgel geschuldet, ein schönes Dröhnen und Wummern, das ihren elegischen Gesang unterfüttert. Stimmlich erinnert sie gelegentlich an Kate Bush, und wenn eine E-Gitarre in langen Tönen erklingt, gemahnt es an David Gilmours artrockigen Pink-Floyd-Klang. Ein ganz spezielles Konzert einer mehrheitlich unsichtbaren Künstlerin mit einnehmend-eigenwilliger Musik.