Wüstes Land oder Das Ende von allem

Kleintheater, 4.12.2013: Mit «Sicht auf nichts oder die Legende vom Rest» folgt der dritte Streich im «Quartett Heimat», in der Stück-Tetralogie der Theaterformation Trainingslager. Der Text von Jens Nielsen beschwört eine helvetische Endzeit, für die Bühne eingerichtet von Regisseurin Antje Thomas. Sehenswert.

Sie schauen aus wie heruntergekommene Goldgräber. Wir erleben, how the west was lost statt won. Der Schauplatz meint die Schweiz. Oder das, was sie vielleicht einst war und jetzt nicht mehr ist. Die vier Männer sind so etwas wie das Gegenteil von Pionieren. Die Allerletzten. Überlebende auf verlorenem Posten. Um im Western-Bild zu bleiben: Abgehalfterte Menschen. Alles, was sie noch haben, ist nichts. Nicht einmal eine Aussicht: «Gerade jetzt ist die Aussicht frei. Die Sicht auf nichts.» Sie, das sind Kalberer, der Mann ohne Arme (Ingo Ospelt); Niggli, der Mann im Loch und Verwalter des Trockenfrosch-Vorrats (Hansrudolf Twerenbold); Säuli, der «Musiker», der Töne auf dem Waterphone erzeugt (Dominique Müller); Löli, der von einem Garten träumt, und wäre er auch nur einen Quadratmeter gross (Roland Bonjour).

Das mit den Fröschen geht so: Ein Bundesrat hatte es einstmals in weiser Voraussicht eingerichtet, dass «die acht Trillionen Frösche, ungefähr», die als zweite biblische Plage vom Himmel fielen, allesamt gut getrocknet in einen Bergbunker verbracht wurden. Für alle Fälle. Der Fall ist nun eingetreten. Die Trockenfrösche dienen den vier übriggebliebenen Menschenwesen als einzige Nahrung. Wasser gibt’s nur selten. Alles ist Wüstland, trocken, ausgedorrt, steinig und staubig. Es knirscht gewaltig, wenn die Männer in der Schotter-Szenerie herumtrampeln. Das Ende ist ganz nah, die Welt fast nicht mehr da: «Die Welt ist noch nicht ganz untergangen. Aber weitgehend.» Einer liest die «..enschenrechte», wo es unter anderem heisst: «Alle Menschen sind..» – «Das ist veraltet.» – «Die meisten Menschen sind nicht mehr.» Auch der Tourismus ist ziemlich am Ende. Einer berichtet von der Titlisbahn, die neuerdings von Hand betrieben wird, was nicht gut gehen kann. Zum Schluss gesellt sich beim gemeinsamen (natürlich imaginären) Zoobesuch eine Ziege zu den vier Menschen. Sie sehen sie – «da!». Aber siehe, auch das ist nur scheinbar. Postapokalyptische Endzeit. Kann da Fröhlichkeit aufkommen? Eher kaum. Es herrscht aber ein verzweifelter Witz, der immer wieder mal aufscheint. Dieses Stück ist geprägt von der besonderen Sprache, von verdichteten Sätzen, von einer Sprache, die auch mal nur Halbsätze zulässt, nicht zu Ende Gesagtes. Alles ist nicht nichts, sondern ein bisweilen verstörendes Endzeitspiel, das es in sich hat. Heimat ade. Jens Nielsen, der Autor, wer war das doch gleich? Scherzfrage. Er gehört ja zu den erklärten Lieblingen gerade von kulturteil.ch, wo ihm mit schöner Regelmässigkeit hymnisch gehuldigt wird. Nicht zu Unrecht, wie zu ergänzen wäre. Nachlesen lässt es sich beispielweise hier oder hier und aber auch hier.

Trainingslager: Die Sicht auf nichts oder die Legende vom Rest; Kleintheater Luzern; weitere Aufführungen Fr/Sa, 6./7.12., 20.00