Wo der Nachwuchs spriesst und keiner hinschaut

Treibhaus Luzern, 9.04.14: Der Nachwuchsliteraturwettbewerb des Magazins «Literarischer Monat » heisst nicht nur so wie der Veranstaltungsort «Treibhaus» in Luzern, sondern fand auch gleich dort statt. Die Auswahl der eingesendeten Kurzgeschichten fiel bereits vorab auf drei Finalistinnen. In einem unterhaltsamen Prozedere stellten sich diese erstmals live Publikum- und Jurykritik.

20 Uhr – Primetime also; gemütlich schummrig beleuchtetes Lokal, Konzept mit vorprogrammierten Überraschungen in Form von unbekannten Newcomer-Autoren, interaktive Spielregeln mit Stimmrecht fürs Publikum und eine leichtfüssige Moderatorin. Eigentlich gute Voraussetzungen für ein «Full House». Herr und Frau Luzerner sahen das aber wohl anders und kamen nur gut zu zwanzigst. In anderen Endausscheidungen desselben Wettbewerbs, ausgetragen in Bern oder Zürich, sei der Zulauf hingegen gross gewesen. Woran liegt das nur? Ist man noch müde vom Literaturfest? Gemessen am doch eher hohen Altersdurchschnitt der Anwesenden scheint vor allem das jüngere Zielpublikum des Treibhauses weggeblieben zu sein. Steht gute alte Prosa bei der Poetry Slam gewohnten Jugend denn hierzulande wirklich so schlecht im Kurs? Sei’s drum, uns hat dieser Abend jedenfalls wirklich Spass gemacht – und nicht etwa bloss wegen Bratwurst und Weisswein zum Schluss für umsonst! Nein, die drei gelesenen Texte waren aus ganz unterschiedlichen Gründen sicherlich achtenswert und wurden auch dynamisch vorgetragen. Hildegard Elisabeth Keller, das bekannte Gesicht aus dem SRF Literaturclub, führte spritzig und unterhaltsam durch Abstimmungs- und Kritikverfahren. Und sogar die Jury würzte ihre Pflicht einer professionellen Meinungsabgabe mit dem Unterhaltungs- und Spannungsfaktor der Uneinigkeit. Jedes Mitglied gab seine Stimme nämlich einem anderen Text. Die ersten beiden Kurzgeschichten von Isabella Cianciarulo und Christina Frosia sind aus der Perspektive einer Frauenfigur geschrieben, welche die jeweilige Problemkonstellation zu ihrem Ehemann oder Freund enthüllt. Während im Text «Abattoir» die Wende am Schluss brutal und in einer überraschenden Verschränkung von Realität und psychischer Wahrnehmungsverschiebung daherkommt, zeichnet «Gegen Süden», still und subtil erzählt, die Reise des Abschieds von einem schwierigen Partner nach. Durchsetzen konnte sich dank der Stimme des Publikums aber Martina Momo Kunz Khader mit ihrem Text «MARAKUDA BELOW». Er verarbeitet mit Mitteln der poetischen Selbstreferenzialität die Thematik der Melancholie und der Orientierungslosigkeit in einem Wald von Erkenntnissen. Viel Sprachskepsis, angehäuft in verschachtelten Wortbildern steckt darin, was dem Erzählstil einen sehr fragmentarischen und eigentlich auch unprosaischen Charakter gibt. Die Jury war sich indes auch nicht einig, ob ein solches Produkt nicht eher in die Wettbewerbsausschreibung für Lyrik passen würde. Nichts desto trotz wurde die junge Theaterschaffende mit dem Preis eines Abdrucks im «Literarischen Monat» und einer teuren Uhr geehrt. Im Gegensatz zum lokalen Jurygast Niko Stoifberg, der nach eigener Aussage persönlich wenig mit der Thematik dieses experimentellen Textes anfangen konnte, stimmte Michael Fehr wohl ziemlich genau in den Chor des Publikums mit ein. Für Kunz Sieg trete er ein, weil er an diesem Abend nicht für die Literatur, sondern für das Wagnis gehen wolle.

Die nächsten waghalsigen Finalistinnen treffen sich zum Literaturwettbewerb am 24.6. in der Lokremise in St. Gallen.