Wie hast du’s mit der Literatur? Oder: Die Luzerner Gretchenfrage

Am Abend des 21. März fand die Gründungsveranstaltung der Literaturgesellschaft Luzern (LGL) im Haus der Gesellschaft der Herren zu Schützen statt. Der frischgebackene Präsident Peter Schulz plädierte für mehr Literatur in Luzern und zeigte gleich auf, wie diese zu erhalten ist. (Über das darauffolgende Podiumsgespräch zwischen Peter von Matt und Hardy Ruoss wird in einem separaten Artikel berichtet).

Luzern habe ein KKL und mehrere angesehene Musikfestivals. Luzern habe ein Kunstmuseum und eine Sammlung Rosengart. Doch Luzern habe – trotz Buchmesse, Kleinverlagen und vereinzelten Lesungen – keine etablierte literarische Kultur. Oder zumindest keinen festen Platz dafür. Nicht einmal an der Universität werde die Liebe zum Wort vermittelt, es sei denn, es handle sich um Gottes Wort: «Wir haben in Luzern einen Theologos, aber keinen Philologos.» Peter Schulz bringt seine Analyse der «Kulturstadt» mit viel Feuer und nicht ohne Empörung vor, um dann mit ebensoviel Verve zu fordern: Luzern braucht ein Literaturhaus!

Der literarische Kulturkompromiss Schulz, der ehemalige Rektor des Medienausbildungszentrums (MAZ), der heute den Luzerner Verein und Verlag Pro Libro leitet, hätte an diesem Abend gerne das Am-Rhyn-Haus als neues Zentrum für Literatur eingeweiht. Der Grosse Stadtrat, der bekanntlich gleich im Nebengebäude tagt, hat dies zu verhindern gewusst. Es ist nicht üblich, dass literaturaffine Menschen ein wenig genutztes Gebäude für ihre Zwecke illegal besetzen und so wird auch das Am-Rhyn-Haus nur zeitweise für Lesungen, Literatur-Workshops und Tagungen genutzt, sprich: gemietet werden. Immerhin sei es bereits «ein Haus, das nach Literatur schmeckt», die Spitteler-Stiftung hat hier ihren Sitz (oder zumindest einen Raum) und hier wird auch Cécile Lauber und Kuno Müller gedacht. Nun soll die Literaturgesellschaft – «ganz nach dem Prinzip Hoffnung» (Schulz) – den Weg für Grösseres bahnen. Bereits am 23. Mai ist mit Klaus Merz einer der wichtigsten Literaten der Schweiz eingeladen und am 28. Mai findet ein Schreib-Workshop mit Gabriela Graf statt.

Anwesende und Abwesende(s) Auch den toten Dichtern soll gehuldigt werden; am 24. April ist ein Anlass zu Carl Spitteler geplant und im November soll passend zum Wagner-Jahr eine Tagung über Nietzsche und den grossen Komponisten stattfinden. Schulz ist es wichtig zu betonen, dass bereits drei dieser Veranstaltungen Kooperationen mit anderen Institutionen sind, unter anderem der Freien Gesellschaft Gleichgesinnter Luzern. Was die Zusammenarbeit mit den Medien angeht, so scheint die junge Literaturgesellschaft noch Bedarf zu haben. Ausser dem Vetreter von Kulturteil.ch war kein Medienschaffender anwesend. Einerseits mag das am wachsenden Literatur-Desinteresse in der Medienlandschaft liegen, das in den Wortmeldungen des Publikums nach Schulz’ Rede mehrfach beklagt wurde. Andererseits mag dies auch der Informationsstrategie der Literaturgesellschaft geschuldet sein. Diese wollte ihre Gründungsveranstaltung im kleineren Kreise abhalten und hatte ihre Internetpräsenz nicht rechtzeitig zur Veranstaltung hochgeschaltet. Dementsprechend sucht man die Literaturgesellschaft auch auf Facebook noch vergebens – was sonderbar anmutet, denn heute ziert sich kein Kulturveranstalter mehr vor der sozialen Plattform. Fast könnte der Verdacht aufkommen, dass junge Autoren und ihre jungen Leser bewusst nicht angesprochen werden. Das wäre schade und absurd angesichts des vollmundigen Anspruchs, Luzern literarischer zu machen. Zum Glück ist in Bälde ein Slam-Poetry-Workshop geplant, der solche Bedenken zerstreuen könnte. Ansonsten muss sich nicht nur Luzern, sondern auch die Literaturgesellschaft die Gretchen-Frage gefallen lassen: Wie hast du’s mit der jungen Literatur?