We got the Blues

Was hat Bob Dylan, nicht leibhaftig zwar, am Lucerne Blues Festival zu suchen? Mehr, als man meinen könnte. Jedenfalls hat sich His Bobness an den ersten beiden Abenden im Grand Casino da und dort ins Programm geschlichen. Und schon konnte die 16. Ausgabe des Festivals mit ein paar Höhepunkten punkten.

Guy Davis tritt im Trio an. Mit dabei ein Harmonica-Spieler/Waschbrettler sowie ein Tastenmann, der auch mal Akkordeontöne beiträgt. Der New Yorker Davis, 58, pflegt, was man Old-Time-Country-Blues nennen könnte, vor allem ist da der Grossteil akustisch angerichtet, wenn Davis seine 6- und 12-saitigen Gitarren benutzt, selber auch noch in die Harmonica bläst – und einmal gar zum 5-String-Banjo greift. Zu hören gibt’s schöne alte Bluesnummern, von Muddy Waters etwa «Can’t Be Satisfied», den schlüpfrigen «Little Red Rooster» von Willie Dixon oder aber auch: einen Song von «America’s most famous skinny white boy». Das dünne Bleichgesicht-Bürschchen wäre Bob Dylan. Und schon kommt nach der Ankündigung dessen «Sweetheart Like You». Lou Pride, 60, der Pechvogel, der einen geplanten Auftritt in Luzern nicht wahrnehmen konnte, weil er ins Spital musste, hat es heuer geschafft. Er ist wieder da, hat sich in silbergraue Schale geworfen und soult dem Teufel wunderbar ein Ohr ab. Eine dichte Band inkl. Bläser bereitet den Boden, auf dem Pride vokal abheben kann. Oder auch sich in Niederungen begeben kann: Zum letzten Stück wird er von Festival-Speaker Martin Bründler in die Menge hinab begleitet, sodass er mitten im Publikum (und ohne Monitore) sicher singt. Etwas Showtime, die nicht stört. Ein Dylan-Stück hat Pride nicht gesungen. Dafür kommt am nächsten Abend ein Harmonica-Spieler (es ist der mit den gfürchig grossflächigen Tattoos) an die gesangliche Reihe in Sachen Dylan. The Nighthawks machen etwas auf solid interpretierten Stampf-Blues, und dann kommt eben Dylan: «She Belongs To Me» von 1965. Der wohl prominenteste Act dieses Jahr: Mavis Staples, eine sogenannte lebende Legende mit Jahrgang 1939. Der Gospel-Hintergrund ist noch gut spürbar und auch das Dabeisein beim Civil Rights Movement Anfang der 1960er weht hier noch mit (wir erinnern uns: Martin Luther King u.a.). Die Sängerin, die einst im Familienverbund bei den Staples Singers mitmachte, ist solo unterwegs. Im Jahr 2010 erst recht: Jeff Tweedy, Mastermind von Wilco, hat ihre jüngste Platte «You Are Not Alone» produziert und auch zwei Stücke für Mavis geschrieben. Der Titeltrack (von Tweedy) darf so natürlich im Casino-Panoramasaal nicht fehlen. Mavis Staples ist angetan von Luzern (obwohl es regnete), bereits am Donnerstag hatte sie sich für die Stadt begeistern lassen (sie möchte am liebsten hierher ziehen, gut das ist Bühnen-Höflichkeit). Einen See hätte sie in Chicago ja auch, was soll sie da nach Luzern zügeln. «We bring you tonight some of the old and some of the new»: New wäre dann eben Material des aktuellen Albums, wo es Gospel-durchtränkt tönen kann, wo auf Traditionals zurückgegriffen wird und es klassische Covers drauf hat. In Luzern vernehmbar zum Beispiel: «I Belong to The Band – Hallelujah» von Reverend Gary Davis, John Fogertys «Wrote A Song For Everyone», «Losing You» von Randy Newman. Keine schlechte Songauswahl, welche die ältere Dame mit lockerer Intensität bringt. Sie ist noch bestens bei Stimme. Ein Konzert, das Freude macht. Ein Dylan-Stück singt Mavis Staples nicht. Aber sie ist ja die Frau, welcher der junge Dylan Anfang der 1960er einen Heiratsantrag gemacht haben soll. Tochter Yvonne singt übrigens im dreiköpfigen Chor mit. Und fast ein bisschen Dylan: «The Weight» wird gebracht, das betörende Stück von The Band, geschrieben von Robbie Robertson, ab dem Album «Music From The Big Pink» (1968). Im Häuschen «Big Pink» in Woodstock sind ja auch die Aufnahmen zu den «Basement Tapes» von Dylan und The Band entstanden.