Was macht die Zeit mit den Alben? [#11]

«Blood Sugar Sex Magik» von Red Hot Chili Peppers – 1991 Vor bald 20 Jahren brachten die Red Hot Chili Pepers ein Album heraus, auf das sich fast alle einigen konnten. Also wenigstens 13 Millionen Leute blätterten dafür 28.50 auf die Theke. Es war die Zeit, als alle Idioten behaupteten, Funk zu hören, weil sie RHCP hörten. Aber ich möchte hier wieder einmal klarstellen, dass RHCP nie Funk gemacht haben. Funk ist etwas Eigenartiges, und es ist umstritten, ob Funk gut ist für die Menschen. Auf jeden Fall haben die RHCP immer Rock gemacht, Pfeffer-Rock vielleicht – oder von mir aus Crossover. Mit den Jahren haben sie immer mehr gemerkt, dass Balladen auch gut sind. Sie haben ja auch dafür ein Händchen. Von Dr. Knobel

So CD: «The Power Of Equaly»: Erst hört man die Band durchs Telefon, dann kommt sie richtig. Aufkratzend geben sie Gas. Die Snare klingt noch halb nach 80er. Sänger Kiedis ist in den Strophen fast am Rappen und er hat auch getextet wie ein Rapper: «Ich habe eine Seele, die nachts nicht schlafen kann ... Amerikanische Gerechtigkeit war schon immer sauer ... mein Name ist Friede.» Die schräg gesungene kleine Refrain-Melodie könnte auch auf einer älteren RHCP-Platte sein. Gutes Lied.

«If You Have To Ask»: Jetzt geht's erst mal einen Gang zurück. In der Strophe redet Kiedis aussergewöhnlich tief und monoton. Der Refrain wird dann wie ein Duett gesungen; Tunte gegen Nasenmann. In der Strophe geht es um einen Hobby-Gangster und im Refrain heisst es dann: Wenn du fragen musst, weisst du's nicht. Ob das einen Zusammenhang hat? Oh, ein grossartiges Gitarrensolo, das sich in sich selbst verirrt – und dann ist das Lied vorbei. «Breaking The Girl»: Die Hippie-Gitarre eröffnet. Im Text geht es darum, dass «Er» mit seiner unbegründeten Eifersucht «Sie» zerstört und darum besser verlassen sollte. Ein grosses Lied voller Flöten. Kiedis singt wunderbar schief, wie nur er es konnte (bevor er einen Autotuner kaufte), und die Flöten flöten fast noch schiefer. Drummer Chat spielt sich in Trommel-Ekstase und dann fangen sie auch noch an, auf dem Silbergeschirr ihrer Eltern rumzuhauen, und Onkel Komisch spielt die Jahrmarktorgel. Prost. «Funky Monks»: Der Anfang könnte jetzt auch Prince sein. «There are no monks in my band.» Ja, das kann man sich vorstellen, dass die RHCP zu dieser Zeit nicht wie Mönche gelebt haben. Es geht also um Freizügigkeit, sie bumsen gern rum. Langsam schleicht dieser Song voran, ohne langweilig zu werden. «Suck My Kiss»: Jetzt schalten sie aber einen Gang rauf! Bezüglich Musikstil muss ich mich hier mal aus dem Fenster lehnen: Jazz-Rock? Ich glaube, besser kann man ein komplexes Jazz-Rock-Riff nicht spielen, vor allem Bassist Flea und Drummer Chat wirken hier wie Fische, die endlich im Wasser sind. Der Text: Sex, Sex, Sex, Sex vorallem oral. «I Could Have Lied»: Eine schöne Lagerfeuer-Gitarren-Ballade, könnte auch auf Californication sein, Anthony Kiedis sagt: «Wenn ich gelogen hätte, wäre sie geblieben, aber ich bin eine ehrliche Haut.»  Dieser Song trägt schon die Saat des Giga-Hits «Under The Bridge» in sich. «Mellowship Slinky In B-Major»: Die Fische dürfen wieder ins Wasser, und diesmal gesellt sich Gitarrist John Frusciante auch richtig dazu. Ein paar Textauszüge: «Geboren, um den grossen Bison zu bewundern.», «Ich, meine Freunde und die Sexmaschine.» Schöner Text, Toni! «Righteous And The Wicked»: Ein entspanntes, wirres Anti-Kriegs-Lied. Anthony fragt Gott, warum die Menschen die Erde zerstören und Marvin Gaye, wo wir vom rechten Weg abgekommen seien.

«Give It Away»: Das ist ihr Mutterlied. Einerseits werden sie vielleicht nie wieder ein so typisches und gutes RHCP-Stück schreiben, und andererseits werden sie wohl immer die Einzigen sein, die das genau so spielen können. Fantastisch. Der Text ist sehr simpel und anti-materialistisch: Gib alles weg! «Blood Sugar Sex Magic»: Antony muss seinen Blutzucker dringend von einem Mädchen messen lassen. Refrain-Text: «Blood sugar baby she's magik sex magik sex magik blood sugar baby she's magik sex magik sex magik.» Guter Rocksong. «Under The Bridge»: Ein grosser Hit. Das ist ja ein richtiger Songtext! Gesungen aus der Perspektive eines einsamen, wohl obdachlosen Typen. Romantik, Philosophie und alles. Schapo! Musikalisch sind die Fische hier eigentlich auf dem Land, aber sie machen auch das 10 000 mal besser als die Lovebugs. «Naked In The Rain»: Ein treibender Slap-Rocker, kein Höhepunkt. Textauszug: «Nackt im Regen mit einem Killerwal kann ich das Salz nicht schmecken, wenn ich seine Schwanzflosse lecke.» «Apache Rose Peacock»: Ein entspanntes Stück. Anthony möchte nach New Orleans, aber der Text achtet wieder mal mehr auf die Reime als auf sonst was. «Greeting Song»: Jetzt machen sie richtig Tempo. Das grenzt an Punk-Rock. Irgendwie bekomme ich das Gefühl, die haben die schwachen Stücke hier hinten versteckt. «My Lovely Man»: Immerhin ein Jimi-Hendrixeskes Girarren-Riff. Es geht um einen Freund Namens Slim, der gestorben ist. «Gut, ich weine jetzt, ich sehe dich später.» Es könnte sich bei dem Freund um Hillel Slovak, den verstorbenen Gitarristen der RHCP, handeln, dünn war er jedenfalls. «Sir Psycho Sexy»: Textauszug: «Ich wurde mit dem Auto von einer Polizistin gestoppt, sie sagte, steig aus und spreiz die Beine ... die Polizistin war blau angezogen. War sie schön? Junge ich sags dir, sie steckte ihren grossen schwarzen Stock in meinen Hintern ... Jetzt blas mir einen wie ein Ziegenbock.» Gut getextet, Toni! «They're Red Hot»: Zum Abschlus ein zu schnell gespieltes Scherz-Country-Lied. (Tamales sind lateinamerikanische Teigtaschen.) So.

Beim nächsten und letzten Album dieser Serie geht es um ein Trio mit langen Haaren, das es nicht mehr gibt. Hast du's erraten? Auf eindringliches Verlangen von Doktor Knobel werden an dieser Stelle sämtliche Bilder, die er uns zu diesem Thema zugesendet hat, veröffentlicht.