Von Schwarzmalerei und Silberstreifen

Zwischenbühne, Horw, 03.11.17: Im Rahmen des zehnjährigen Jubiläums von «Boa im Exil» spielen «Bohren und der Club of Gore» ein melancholisches Konzert, das zu inneren Monologen verführt und stimmungsvoll durch die Nacht gleitet.

Im weissen Saal der Zwischenbühne: Schwarze Vorhänge, schwarze Bühne, drei Männer. Ganz in schwarz. Über die Lautsprecher ertönt das Geräusch eines Gewitters. Prasselnder Regen und Donner legen den Grundstein für die Stimmung des heutigen Konzerts. Keine Scheinwerfer erleuchten die Bühne (siehe Bilder). Nur sieben kleine Lämpchen umschmeicheln die Musiker und wirken dabei wie Einschusslöcher in einem Kofferraum, in den man eingesperrt ist. Dadurch bleiben die Musiker immer nur schwach sichtbar, verschwinden hinter den Lichtkegeln, wie eine Fata Morgana, der man zu nah gekommen ist.

bohren club of gore

Die drei Männer in den dunklen Anzügen scheinen mehr ihre Instrumente zu sein als sich selbst. Kontrabass (Robin Rodenberg), Keys (Morten Gass) und Saxophon sowie Vibraphon (Christoph Clöser), wobei jeder der drei Musiker auch noch mindestens ein Becken vor sich hat und so einen Teil zur Perkussion beiträgt. «Bohren und der Club of Gore» nennt sich die 1988 gegründete Band aus, wie Clöser vage haucht, Westdeutschland. Sie spielen einen langsamen, düsteren Jazz. Verführerisch und bedrohlich, wie eine Femme Fatale, die einem ins Ohr flüstert. Die Songs bewegen sich nur minimal, sind nie erregt, lassen aber die Köpfe des Publikums trotzdem mitfühlend wippen.

Zwischen den Songs stellt sich Clöser etwas mehr in die Mitte der Bühne. Sein weisses, langes Haar reflektiert das spärliche Licht, und lässt sein Gesicht noch undeutlicher erscheinen. Er fängt zu sprechen an. Als ob er nicht mehr wüsste, was er eigentlich sagen wollte, hält er inne, sammelt sich und spricht dann weiter. Seine verschrobene Art bringt das Publikum zum Lachen und lockert es auf. Clöser spricht vom einsamen Ausgehen, von Ablehnung, stillem Sitzen am Tresen. Einen Song widmet er all jenen, die immer schwarz malen und rot sehen.

Die Mischung aus trägem Bass, schleppendem Beat, beruhigenden Keys und klagendem Saxophon beschwört sofort Erinnerungen an Detektivgeschichten, an innere Monologe während dunkler Tage.

Das Konzert findet im Rahmen des zehnjährigen Jubiläums von «Boa im Exil» statt. 10 Jahre ist es her, dass die Boa ihre Pforten für immer schliessen musste. Ein spezieller Ort, der mit offenen Armen all jenen Zuflucht geboten hatte, die in Luzern nach etwas anderem suchten; ein Nest voller Kuckuckseier. Es ist schon ironisch, dass es dann die Stadt selbst war, die sich wie eine Würgeschlange um die Boa gelegt hatte, und ihr nach und nach die Luft nahm, bis nichts mehr übrig war. Kalt und emotionslos.

Seitdem zieht zumindest die Idee der Boa nomadisch von Ort zu Ort, unter der Führung ihres ehemaligen Programmators, Eugen Scheuch. Und mit ihm ziehen viele andere Exilierte, noch immer auf der Suche nach dem nächsten besonderen Konzert, wie Zugvögel auf der Suche nach Wärme.

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Hinten im Saal schreit irgendjemand immer lauter und aufdringlicher nach einer Zugabe. In der Stille des Raumes ist das in etwa so angenehm wie ein Tinnitus beim Einschlafen.

Clöser scheint erpicht darauf, das Publikum mit einer positiven Botschaft in die Nacht zu entlassen. Er beendet das Konzert mit einem angeblich chinesischem Sprichwort: Man könne nicht verhindern, dass uns die Vögel des Leides über den Köpfen herumfliegen. Aber dass sie Nester in unseren Haaren bauen, das können wir verhindern. Auch wenn das Leben ein zähflüssiger, langsamer, oft anstrengender Dreck sein kann, gäbe es so viel Schönes, das man sehen könne. Und er hat recht.