Von Bros und Bässen

Das Nidwaldner Label «Drum Army» will Drum’n’Bass in der Schweiz fördern, und lokale Künstler*innen international bekannt machen. Gelingen soll das auch dank der bald erscheinenden Compilation «Yo Bro».

Bild: zVg

Wenn sich Luca Balli vor der Laptop-Kamera streckt, blitzt auf seinem Unterarm ein japanisches Schriftzeichen auf. Es ist das Logo des Nidwaldner Drum’n’Bass-Labels Drum Army: Das Zeichen steht für «Gun», zu Deutsch «Armee». Als militaristisch sehen sich Balli und seine beiden Label-Kollegen Tobias Wicki und Niklas Wey keineswegs. Doch als Underdogs in der internationalen Szene geben sie sich kämpferisch.

Ein Gespräch zum kommenden Release der Compilation «Yo Bro», über eine von Männern dominierte Szene und Nachwuchsförderung in Nidwalden.

Als Drum Army organisiert ihr seit gut sechs Jahren Partys, seit drei Jahren veröffentlicht ihr Musik. Jetzt erscheint die Compilation «Yo Bro». Ist der Titel als Anrede an den intendierten, männlichen Hörer zu verstehen?

Luca Balli: Der Titel bezieht sich eher auf die Leute, die selbst auf der LP vertreten sind. Diese würden sich untereinander wohl so begrüssen. «Yo Bro» ist eine Serie von Veröffentlichungen, die Compilation ist der dritte Teil. Wir wollten Leute auf dem Release vereinen, die wir schätzen und die coolen Sound machen. Der Titel war schon da.

«Hier sind die Männer an Partys in der Mehrheit.» – Luca Balli

Doch er könnte exkludierend wirken. «Yo Bro» spricht klar Männer an.

L. B.: Es kann sein, dass Frauen weniger angesprochen werden. Von den 21 Titeln auf der Compilation kommen zwei von Frauen. Die beiden Produzentinnen ins Boot zu holen, war ein grosser Aufwand. Es gibt schlicht viel mehr männliche Produzenten als weibliche. Für uns spielt es aber keine Rolle, ob ein Song von einem Mann oder einer Frau ist. Wenn er gut ist, ist er gut.

Wie sieht es mit dem Verhältnis der Geschlechter im Party-Publikum aus?

L. B.: Das kommt wohl auf den Ort an. In Grossbritannien ist Drum’n’Bass im Mainstream angekommen, dort ist es sicher ausgeglichener als in der Schweiz. Hier sind die Männer an Partys in der Mehrheit. Unter den treusten Fans des Genres sind jedoch ähnlich viele Frauen wie Männer vertreten.

Hier gibt’s Diversität!

Die Vernetzungsplattform Helvetiarockt sorgt dafür, dass künftig alle eine Frau finden – fürs Podium, eine Publikation oder ihren Event. In der Datenbank «Music Directory» können sich Frauen, inter-, trans- und non-binäre Menschen registrieren, die der Schweizer Musikbranche angehören. Willkommen sind Leute in verschiedensten Funktionen – ob sie nun singen, verkabeln oder über Musik berichten. Die Datenbank soll zudem die Sichtbarkeit erhöhen, Vorbilder zeigen und die Community stärken.

 

In Nidwalden seid ihr mit Drum’n’Bass aufgewachsen und habt dann selbst eine Plattform für das Genre aufgebaut. Mittlerweile habt ihr euch als Label und Veranstalter etabliert. Wie sieht die Drum Army heute ihre Rolle in der Nidwaldner Partyszene?

L. B.: Wir setzen auf die Label-Arbeit. Unser Bezug zu Häusern wie dem Senkel in Stans haben wir etwas verloren. An das Partypublikum zwischen 16 und 20 kommen wir nicht mehr heran. Dafür gibt es in Nidwalden zwei weitere Crews, die regelmässig veranstalten. Ergänzend dazu soll die Drum Army eine Anlaufstelle für Künstler*innen bieten, die eigenen Sound machen wollen. Es gibt in Nidwalden gut sechs junge Personen, die fleissig produzieren. Dieser Nachwuchs soll uns Demos schicken, von uns ein Feedback erhalten, und vielleicht einen ersten Release mit uns aufgleisen können. Als ich mich mit 16 Jahren zum ersten Mal für Drum’n’Bass begeistert habe, fehlte diese Anlaufstelle noch.

Vor zwei Jahren hattet ihr ein hohes Ziel formuliert: Ihr wolltet «Schweizer Musikproduzenten unterstützen und ihnen bestenfalls ein Sprungbrett in die internationale Szene bieten,» sagtest du gegenüber der Luzerner Zeitung. Ist euch das mit der Compilation «Yo Bro» gelungen?

L. B.: Auf jeden Fall. Das Nidwaldner Duo Special Victims ist darauf vertreten, vier weitere Schweizer Artists steuerten einen Beitrag bei. Die Musikschaffenden sollen durch die Compilation miteinander connecten und den Sound in der Szene verbreiten.

«Die Compilation soll eine Kampfansage sein.» – Luca Balli

Welche Erwartungen habt ihr als Label an den Erfolg der Compilation?

L. B.: Uns gefällt sie sehr, daher sind die Erwartungen hoch. Wir wünschen uns gutes Feedback und dass der Release selbsttragend sein kann. Über Monetarisierung auf Streamingdiensten und Deals mit anderen Plattformen für Songpremieren erhalten wir einen klitzekleinen Betrag für den Aufwand zurück. Seit einem Jahr planen wir die Veröffentlichung, trotz manchmal sechs bis zehn Stunden Arbeit pro Woche zahlen wir drei Labelbetreiber uns keinen Lohn aus. Wir wollen nicht zur kommerziellen Elite der Szene gehören. Aber die Compilation soll eine Kampfansage sein: Man muss nicht aus England kommen, um Drum’n’Bass mitzuprägen.

Various Artists

Yo Bro

Drum Army (20. November 2020)