Vermessene Kunst und eine gespiegelte Auktion

Der Pavillon Tribschenhorn beherbergt mit der Ausstellung «460 m. ü. M. - vermessen» zwei Kunstschaffende, die sich mit unterschiedlichen Ansätzen der Mannigfaltigkeit von Kunstsystemen und deren Vermessenheiten widmen.

Luzern, Samstag 25. August 2012: Auf der kleinen Halbinsel Tribschen, exakt 460 Meter über dem Meeresspiegel und etwas versteckt hinter dem Richard Wagner Museum, liegt ein alter Schulpavillon aus den 1960er Jahren. Bis vor einigen Jahren als Unterrichtsgebäude genutzt, beherbergt der hölzerne Elementbau heutzutage den Ausstellungsraum Pavillon Tribschenhorn. Die Luzerner Künstlerin Barbara Davi (*1971) entschied sich im Raum 1 des Pavillons Tribschenhorn architektonisch tätig zu werden. All die Ecken, Kanten, Nischen und Strukturen erzählen Geschichten über die stetige Anpassung an die veränderten Bedürfnisse des Raumes. Früher war er ein Schulpavillon, heute ist er ein Kunstraum und Plattform für Experimente. Barbara Davi nimmt gewisse Raumcharakteristika als Ausgangslage für ihre individuellen Vermessungen, um sie mit einem künstlerischen Inhalt und Ausdruck zu versehen. Im Pavillon Tribschenhorn erkundet die Künstlerin die Grenzen des Gebäudes, indem sie im Ausstellungsraum eine neue Raumstruktur konstruiert, Architektur in bestehende Architektur integriert. So werden existierende Linien aufgelöst, weitergeführt, neue Linien in den Raum gesetzt. Eine Art unkonventioneller Installationsplan ohne wissenschaftliche Funktionalität. Ihre Interventionen in das Raumgefüge des Ausstellungsraums sind aber keinesfalls brachialer Art, sondern aller Grösse und Voluminösität zum Trotz, suggerieren die gewählten Materialien nur eine dezente Einmischung in den Kanon der Raumarchitektur. Der weisse Schaukasten bildet ein Verbindungselement zwischen Innen- und Aussenraum und soll einen zweidimensionalen, fotografischen Blick andeuten. Bewaffnet mit dünnen Holzleisten in schwarzer und weisser Farbe erzeugt Barbara Davi filigrane Konstruktionen, die ins Raumgefüge einbezogen werden. Die Materialität von Holz, dessen unregelmässige Struktur und Farbähnlichkeit sich nahtlos in die bestehende Raumbeschaffenheit einfügt, spielt eine wichtige Rolle in der Wahrnehmung der neu kreierten Raumstrukturen. Es entstehen Zwischenbereiche und Erfahrungsräume, die einladen über das Phänomen Raum nachzudenken. Der ebenfalls in Luzern wohnhafte und arbeitstätige Künstler René Gisler (*1967) fügt sich auf eine institutions- und medienkritische Art und Weise in die Ausstellung mit dem Titel «460 m. ü. M. - vermessen» ein. Der Künstler installiert im Raum 2 ein spärlich eingerichteter Auktionsraum, der mit einer übergrossen, doch menschenleeren Tribüne und Absperrvorrichtungen bestückt ist. Die Art der Präsentation der wenigen Verkaufsobjekte, konträr zur Fülle bei gewissen renommierten Auktionshäusern, lässt auf eine differenzierte Werteumwandlung und kritische Hinterfragung von Produktions-, Präsentations- und Rezeptionskontexten bildender Kunstwerke schliessen. Anstatt in teuren Vitrinen ausgelegt oder mittels einer Petersburger Hängung platziert, beschränken sich René Gislers Bilder auf eine nicht fachgerechte Aneinanderreihung an der Ausstellungswand. Bei näherer Betrachtung der Verkaufsobjekte wird ersichtlich, dass es sich um besondere Spiegelbilder handelt. Der Künstler fertig anhand fotografierter Bilder von Spiegeln, die er auf der Auktionsplattform ricardo.ch gesichtet hat, neuartige Abbildungen an, die wiederrum auf Acrylglas aufgezogen werden. So erblickt der Besucher die originellen Versuche anonymer Anbietern, ihren zum Verkauf gebotenen Spiegel angemessen zu fotografieren. René Gisler inszeniert eine Umkehrung dieses Vorgangs, in dem er innerhalb eines Auktionskatalogs und Internet-Blogs die neu entstandenen Werke wieder auf ricardo.ch zum Verkauf anbietet.

Die Ausstellung «460 m. ü. M. - vermessen» von Barbara Davi und René Gisler ist im Pavillon Tribschenhorn vom 16. August bis 22. September 2012 zu sehen. Die Öffnungszeiten sind jeweils am Freitag von 17.00 bis 20.00 Uhr, sowie Samstag und Sonntag von 14.00 Uhr bis 18.00 Uhr.