Stefanie Heinzmanns musikalisches Wohnzimmer

Luzern, Mittwoch 25. April: Stefanie Heinzmann rockte, direkt aus Köln kommend, die Schüür. Sie überzeugte durch Natürlichkeit und überraschte mit grossem musikalischem Talent.

(Von Tiziana Bonetti)

Verspätet betrat eine strahlende Stefanie Heinzmann gestern Abend die Bühne der Schüür. Da sie zuvor an einem wichtigen Fernsehauftritt in Köln anwesend sein musste, begann das Konzert um zehn Uhr. Aber man war ihr nicht böse: Das wartende Publikum wurde vom ersten Balladensong «Fire», dem souligen Opener ihres jüngst erschienenen Drittlings, schonungslos mitgerissen, und spätestens im Refrain war man von ihrer Stimme so eingenommen, dass man ihr die Verspätung nicht nur verzieh, sondern sogar vergass, dass es überhaupt zu einer Verzögerung gekommen war. Die sympathische Gewinnern des Casting-Wettbewerbs SDSDSSWEMGABRTLAD, der vor vier Jahren in Stefan Raabs Sendung «TV total» ausgestrahlt wurde, hat sich eindeutig nicht auf ihrem Sieg ausgeruht. Mehrere Auszeichnungen, Cometen und Zusammenarbeiten mit diversen bekannten Musikern in den letzten Jahren bezeugen ihren verdienten Erfolg. Schon längst ist klar, dass Stefanie Heinzmann eine ernstzunehmende Künstlerin mit Substanz ist, die mit einer ungeheuren Lebensfreude und viel Herzblut bei der Sache ist. Dass sie das Mitte März veröffentlichte Album nach ihrem eigenen Namen benannt hat, lässt darauf schliessen, dass sie nun bei sich angekommen ist, wie Heinzmann selber bekannt gibt: «Ich weiss, wer ich bin, und ich weiss auch, wie das klingen soll.» – Ausgesprochen selbstbewusst für eine 23-Jährige. Aber der Erfolg scheint ihr nicht zu Kopfe gestiegen zu sein: Auf der Bühne – ihrem selbsternannten «Wohnzimmer» – scherzte sie denn auch über ihr klägliches Outfit, das aus Jeans und einem schwarzen T-Shirt bestand. «Entschuldigt mich! Ich bin erst grad angekommen und hatte deswegen leider keine Zeit mehr, mich umzuziehen», rechtfertigte sie sich und alles im Saal lachte. Es versteht sich von selbst, dass dieses eher unscheinbare, dafür aber umso fröhlichere und lebensfreudige Mädchen mit den riesigen Glupschaugen und dem verschmitzten Lächeln, als Publikumsliebling gilt und Scharen von Fans anlockt. Geschickt stellte Heinzmann eine Nähe zu ihrem Publikum her und spornte die Zuhörer bis zur hinterletzten Ecke dazu an, zu lachen, zu tanzen und wiederholte mit ihrem niedlichen Walliser Dialekt immer wieder: «So schön, euch alle zu sehen! Dankeschön, dass ihr gekommen seid!» Was auch immer Stefanie Heinzmann zwischen ihren Songs sagte, sie tat es mit Selbstverständlichkeit und Natürlichkeit, dass man es ihr ohne mit der Wimper zu zucken abkaufte. Und hin und wieder klang sie sogar wie die Anführerin einer Selbsthilfegruppe. Zum Beispiel als sie meinte: «Glaubt mir, ihr seid alle gut so, wie ihr seid!» Aber auch musikalisch wurde einiges geboten: Stefanie Heinzmann und ihre sensationelle Band wechselten aus dem Handgelenk die Musikgenres wie ein Künstler, der in seiner Palette die Farben mischt, ohne dabei zu dick aufzutragen. So reichte die breite Musikpalette von Pop-Rock über Soul und Blues bis hin zu einem einwandfreien Reggae-Sound. Heinzmanns Songs wirkten nicht nur viel ernsthafter als etwa ihre zuhauf gespielte Single «My Man Is a Mean Man», sie drehte vor allem dem Mainstream eindeutig den Rücken zu. Stimmlich gesehen hat sich die Schweizerin weiterentwickelt: Nebst der altbekannten Tatsache, dass ihre Stimme in jeder Tonlage brilliert, bezeugte sie ausserdem, dass sie in diversen Genres bestehen kann. Eines steht fest: Ich als Nicht-Heinzmann-Fan habe mich eindeutig in ihrem Können getäuscht. Auch jene, die ihre im Radio rauf und runtergespielten Songs nicht mehr hören können: Live ist sie ein hochkarätiges Erlebnis mit unverkennbarer gesanglicher Qualität! Und so regte sie schliesslich auch den verklemmtesten Schweizer Biedermeier zum Mittanzen an, als würde sie sagen: «Scheiss egal, ob's beschissen aussieht. Ich kann's ja auch nicht. Aber verdammt nochmal: Schwing deine steifen Arschbacken!» Melancholie und Teilnahmslosigkeit sind bestimmt das Letzte, was dieses lebensfreudige «verrückte Huhn» an ihren Auftritten dulden will.