Schuhe der Unschuld? Ruhe der Unschule? Schule der Unruhe!

Krach machen sie keinen. Auch wenn das Debüt-Album «la bombe» heisst. Wer zugange war am Samstag im Südpol: Schule der Unruhe, das neue Quartett mit Jürg Halter (aka Kutti MC, Stimme, Tanz), Vera Kappeler (Flügel, Toy-Piano), Philipp Schaufelberger (Gitarre) und Julian Sartorius (Drums). Poesie und Musik, Lyrik mit Jazz verbunden.

Es wird soweit kommen, dass sie mit der Nummer auch im Zirkus auftreten könnten: Für «Besuch im Puppenland» formieren sich die vier zu einer Bremer-Stadtmusikanten-mässigen, menschlich pyramidischen klassischen Kleeblattsituation, um zu dritt auf Kleinstinstrumenten loszuklimpern, derweil Halters Jüre hoch oben auf dem Piano-Sessel steht und rezitiert. Es ist denn auch tendenziell das Rezitieren, das vom Poeten stimmlich-vokal praktiziert wird. Lediglich beim Piano-Stimme-Duett «la bombe» wird recht eigentlich gesungen. Der Rest ist eben (ab Blatt gelesene) Lyrik, bisweilen recht rhythmisch vorgetragen, ohne gleich Rap sein zu können (das überlässt Dr. Halter ja lieber Herrn Kutti). Schule der Unruhe spielen das eben erst im September frisch herausgekommene Album «la bombe» komplett, inklusive Hidden Track (Halter: «Das ist englisch und heisst ‹hinterletztes Stück›.»). Überhaupt wird gern gewitzelt und geflunkert. Beispiel: «Das ist unser Vorschlag für die neue deutsche Nationalhymne. Wir stehen in Verhandlung mit dem deutschen Fussballverband, ob sie nicht statt auf Xavier Naidoo auf etwas anderes setzen könnten.» Nämlich auf Schule der Unruhe und ihren Vorschlag zur Güte («Guten Morgen Deutschland»). Es folgt die Maskentanzeinlage «Tanz den Roman Signer», ganz ohne Pyromantik, dafür mit angeblich von der Kapellbrücke-Namensgeberin Kappeler selbst gebastelten Hasen- und Fuchsmaske. Julian Sartorius, der exquisite Schlagzeuger, ist übrigens so zu Schule der Unruhe gekommen: Halter hatte von der Schwester ein Schlagzeugsolo von Sartorius geschenkt bekommen, wozu er den Trommler zuerst zwei Tage lang aus der Erde ausbuddeln musste, das Ohr entdeckte, daran zog und sah, dass an ihm noch ein Schlagzeug befestigt war. Nach der Pause: «Die Party geht weiter. Luzern ist ja bekannt dafür, dass es feiern kann. Das merkt man schon an der Fasnacht.» Und Halter ist bekanntlich auch bilingue («Ich kann auch Berndeutsch.»). Hier aber spricht er Hochdeutsch mit Akzent (auch «fédéral» genannt). «Kann schon sein» ist der kurze Freestyle. Zu «Neues Protestlied» merkt er moderatorisch an: «Liebe Jungs und Mädels, tragt euren Protest aus euren Pantoffeln auf die Strasse. Auch in einem Schrebergarten kann man eine (hier käme Farbangabe, hab ich verschwitzt) Flagge hissen.» Das laut Setlist letzte Stück vor dem Zugabenteil heisst «Schweizer Psalm», etwas textlich Längliches, das man schon von der Spoken-Word-Anthologie «Rütli Rapport – junge Dichterstimmen der Schweiz» (2006, Verlag der gesunde Menschenversand, Luzern) kennen kann. Bekenntnis: «Ich finde, mich selbst blosszustellen, befreiend.» Bevor es zum genannten Hidden Track kommt, «laufe ich noch eine Runde, zur Beruhigung». Und Jürg Halter rotiert einmal im mittleren Saal, in den sich bei garstiger Witterung immerhin rund 40 Personen aufgemacht hatten.