Sandstrandfeeling statt Sonntagabendkrimi

Sonntag, 22. April. Brothertiger und Teen Daze spielten im Treibhaus auf. Der Besuch lohnte und sorgte im positiven Sinn für heisse Gemüter.

(Von Tiziana Bonetti)

Gammligen Sonntagabenden den Garaus zu machen, fällt wohl manchen Luzerner Couchpotatos und Couchpotatinnen schwer. Verständlich, wenn man stattdessen gemütlich bei einem Glas Roten vor dem Fernsehen sitzen und sich einen «Tatort» in HD-Qualität reinziehen kann. Aber jene, die den Schritt wagten und sich gestern Abend gegen die Wohnzimmergemütlichkeit entschieden, wurden von warmen Chill-Wave-Klängen und abwechslungsreichen Loungesounds von Brothertiger und Teen Daze belohnt, die musikalisch gesehen Zwillinge sein könnten. Nicht wenige Frauen schwenkten für gute zwei Stunden im Gegenlicht der Scheinwerfer ihre Pferdeschwänze zu den elektronischen Klängen und den beruhigenden Schlagzeugbeats. Den Anfang machte der in Nebelrauch eingehüllte Performer Brothertiger aus Toledo (US): Aus seiner von farbigen Scheinwerfern beleuchteten, knabenhaften Gestalt ging eine gewisse Ruhe aus, die auch in seinen Songs widergespiegelt wurde. Seine elektronische, mit Synthesizern angereicherte Musik erinnerte manchmal ein wenig an eine Party in einem Ferienstrandhäuschen, verlor aber dennoch nicht an Ernsthaftigkeit. Dagegen schwebte seine helle Singstimme förmlich über den frischen und simplen Melodien, die einen repetitiven Charakter aufwiesen und als Grundmotive seiner Songs dienten. Zweifelsfrei könnte sein Sound als musikalischer Abschluss einer durchgefeierten After-Hour-Party in einem Club eingesetzt werden – oder eben, um einen Sonntagabend gemütlich ausklingen zu lassen. Nebst den zahlreichen Eigenkompositionen stellte er auch eine Coverversion zum Song «Ask» von den Smiths vor, der bei den Zuhörern gut ankam. Zum Schluss bedankte sich der sympathische Amerikaner herzlich beim Publikum und sagte, dass es für ihn eine Ehre sei durch Europa zu touren und ganz besonders in der Schweiz auftreten zu können. Uns hats auch gefreut, Mr. Brothertiger! Nach einer kurzen Pause begann der Act von Teen Daze aus Vancouver. Sein bebrilltes Antlitz kam nicht nur sehr streberhaft, sondern ebenso unscheinbar daher. Die meisten würden ihn wohl eher in einem Chemielabor mit giftigen Stoffen am Herumexperimentieren vermuten als auf einer Bühne. Aber weit gefehlt: Fast selbstverständlich riss er die gebannten Zuhörer mit seinem spannungsgeladenen, musikalischen Einstieg sofort mit und notgedrungen tauchte man in ein virtuell produziertes Sommergeschehen ein. Die kreisenden Melodien seiner Songs, die teilweise von Wellenrauschen untermalt wurden, erinnerten an lange, weisse Sandstrände. Beinahe wäre man versucht gewesen, das Scheinwerferlicht mit einer blendenden Sonne zu verwechseln. Hätte man geahnt, dass es so weit kommen würde, wer weiss: Vielleicht hätten manche Spassvögel ihr verstaubtes Badezeug mitgenommen und sich plakativ mit Sonnencreme die chäsbleiche Schweizerhaut eingerieben. Spektakulär waren auf jeden Fall die bis in tiefste Lagen wummernden Bässe, die mit Teen Dazes weiblich angehauchter Stimme kontrastvoll konkurrierten. Und die rein musikalischen Zwischenparts entpuppten sich als futuristisch und spacig. Ab und zu klang die Musik wässrig und «fischig», als schwämme man in der farbigen Unterwasserwelt eines Ozeans, dann aber wurden die Töne wieder sonniger und wärmer und man befand sich unmissverständlich wieder über der Wasseroberfläche. Auf diese Weise erzielte Teen Daze eine dichte Bandbreite von Sommergefühlen, die er am Mischpult interessant und nicht zuletzt mit viel Konzentration und Fingerspitzengefühl abzumischen wusste. Chapeau! Abschliessend bleibt nur noch zu sagen: Selber schuld, wer gestern nicht ins Treibhaus musikalisch sonnentanken gegangen ist und sich stattdessen vom Sofa durchgeweichte Arschbacken holte und halbbatzige Lacher an Giacobbo/Müller verlor. Der Late Service Public von Brothertiger und Teen Daze war eindeutig eine sonnige Angelegenheit. Und mal ganz unter uns, liebe Luzerner: Günstiger gelangt man an einem verregneten Apriltag nicht an weisse Sandstrände.