Opern-Amüsement im Taschenformat

Zwischenbühne Horw, 27.3.2016: Stell dir vor, es ist Oper, und keiner stirbt. Stell dir vor, es geht nur 90 Minuten. Und komisch ist es auch. Eine Luzerner Truppe führt es vor in einem reizvollen Taschenformat: Kleinbühne, Kleinensemble, Kleinorchester. Reduced to the max. Gegeben wird die munter-beschwingte einaktige Konfusions- und Komplikationenoper «L’occasione fa il ladro» von Gioacchino Rossini. Gibts noch zweimal in der Gegend. Hingehen.

In einem landläufigen Verständnis gibt’s in der Oper in der Regel Tote. Oder er singt zu ihr hinauf, sie solle zu ihm hinunterkommen. Tragisch. Da sind aber noch die komischen Opern. Opern zwar, aber ohne Tote. Dafür mit Täuschung, Verwechslung und Verwirrung sowie aber auch Liebe. Komplizierte Beziehungsgeschichten, die sich zum guten Ende in Minne (aka Happy-End) auflösen.

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Und auch dies: Opern dauern lang. Muss aber nicht sein. Zweimal knapp Dreiviertelstunden geht auch. Gioacchino Rossini hat in jungen Jahren fünf Einakter komponiert. «L’occasione fa il ladro» (Gelegenheit macht Diebe), die vierte Kurzoper, hat Rossini für das Teatro San Moisè in Venedig relativ schnell geschrieben. Und blutjung war er im Uraufführungsjahr 1812 auch, gerade mal 20. «L’occasione fa il ladro» ist eine «burletta per musica», ein Posse («farse») mit Musik, ein amüsantes Verwirrspiel, ziemlich boulevardeskes Bühnengeschehen um Wahrheit, Sein und Schein, Lüge, Identitäten, die Sprache des Herzens und des Verstands. Das Setting dieser unprätentiösen, dafür erfrischend flotten Inszenierung ist dezent ins 20. Jahrhundert transferiert worden (genauer: in die Zwischenkriegsjahre).

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So geht’s: Don Parmenione ist ziemlich abgebrannt. Sein Kofferinhalt: vornehmlich Schuldscheine. Einen Diener hat er aber noch. Martino, ein hungriger und immer wieder komischer Kerl. Zu den beiden gesellt sich der vermögende Edelmann Conte Alberto. Auch er hat einen Koffer. Seiner und derjenige Parmeniones werden vertauscht. Schön für Parmenione, vor allem, weil er ein gerahmtes Bild einer Schönen darin findet (es ist, kleiner Regie-Scherz, eines von Diva Greta Garbo). Dazu ein Packen Geldnoten und Albertos Pass. Das Bild hat es ihm angetan, sprich: (Fern-)Liebe entbrennt. Nichts wie hin zum Ort, wo Albertos Hochzeit stattfinden soll. Da auch Alberto die Dame noch nie leibhaftig gesehen hat (und umgekehrt), bietet sich ein Identitätstausch geradezu an. Hochstapler Parmenione macht sich daran, um sich als Alberto, der sich nun nicht mehr ausweisen kann, auszugeben. Berenice ist der Auserwählten Name. Sie erwartet zusammen mit Cousine Ernestina und deren investigativem Bruder Eusebio den künftigen Gatten. Vor der arrangierten Hochzeit möchte Berenice ihren in spe noch prüfen, d.h. sie gibt sich als Zofe aus, während Ernestina in die Rolle ihrer Cousine schlüpft. Alberto fände, so findet er bei seinem Eintreffen, die Cousine (also Berenice) eigentlich äusserst liebenswert, doch sie ist nur die Zofe, leider. Heiraten soll er ja eine andere. Es kommt, wie es kommen muss: Zwei Albertos buhlen um eine künftige Gattin, die zwei sind. Einer spielt offensichtlich mit falschen Karten. Und so weiter. Kompliziert. Verwirrung total. Und eben: Happy-End. Gesungen wird mehrheitlich im originalen Italienisch, dazwischen, der Verständlichkeit förderlich, hört man in Dialogen deutsch. Das junge Gesangs-Ensemble – man kennt man zum Teil vom Luzerner Theater, andere studieren noch – bewältigt seine Aufgabe im kleinen Raum mit viel Verve und Spiellust. «L’occasione fa il ladro» ist eine Produktion von «Die Konzertschneiderei – haute couture». Verfolgt wird die Idee, Opern in einem neuen (Taschen-)Format, an ungewohnten Orten aufzuführen. So ist alles Drumrum bewusst schlicht gehalten. Wie das Bühnenbild: schwarz ausgekleideter Bühnenraum, fixe Beleuchtung mit Weisslicht, 4 Stühle, 2 Koffer, das reicht schon. Damit wird man zur Wanderbühne, zum mobilen Opern-Unternehmen, das sich wechselnden Spielorten bestens anpassen kann. «L’occasione fa il ladro» ist nun nicht einfach «Oper light». Vielmehr federleichtes, kurzes und bündiges Musiktheater ohne Pomp und Bombast. Schöne Effekte: Die Oper geht zu Orten, zu denen sie sonst nicht hingeht. Und Menschen gehen zu Opern-Orten, wo sie sonst nicht hingehen. Es war seit Menschengedenken die erste Oper, die in der Horwer Zwischenbühne zur Aufführung gelangt. Und es gab Menschen, die ein allererstes Mal in ihrem Leben in die Zwischenbühne kamen. Soviel Nähe von Bühne und Orchester (und auch kein Nachteil: die gebotene Kürze) bekommt man selten geboten. Es empfiehlt sich, die gute Gelegenheit (ital. «occasione») zu nutzen. PS: Sie brauchen keine Millionen. Und wir erkennen: Die Salle Modulable steht schon – zum Beispiel in Horw. Cast & Crew: Berenice d’Artegna: Rebekka Bräm; Ernestina Lombardi, ihre Cousine: Simone Stock; Don Eusebio d’Artegna, ihr Bruder: Livio Schmid; Conte Alberto di Villamarte: Aljaž Vesel; Don Parmenione di Castelnuovo: Alexandre Beuchat; Martino, sein Diener: Flurin Caduff Kammerensemble «opera taschino luzern» Violine I, Konzermeisterin: Ina Dimitrova; Violine II: Nenad Milos; Viola: Lukas Kmit; Violoncello: Anne-Christine Vandewalle; Kontrabass: Daniel Sundy; Flöte: Lana Milos; Fagott: Markus Boppart; Akkordeon: Bosiljka Kulišič Musikalische Leitung: Florian Pestell Regie, Dialogfassung: Christian Kipper Kostüme: Margot Gadient-Rossel Orchesterarrangement: Daniel Sundy

Weitere Aufführungen: So, 3.4.2016, 18.00, Zwischenbühne Horw Sa, 9.4.2016, 20.00, Lukassaal Luzern Ticketreservationen: www.diekonzertschneiderei.ch