Ohrenbetäubendes Inferno – Navel & Preef im Sedel Luzern

Gestern Abend ging in den abgefuckten Räumlichkeiten des Sedels die Welt mit düsterem Getöse und Krachen gleich zweimal unter. Schuld daran waren die dreschwütige Basler Post-Grunge-Band Navel und ihre Vorgruppe – sozusagen die Höllenreiter der Apokalypse – Preef aus Zug.

(Von Simon Meienberg)

Die Schweizer Post-Grunge-Band Navel, was im Deutschen soviel heisst wie «Nabel», kultiviert den Lärm so, dass dem Zuhörer Hören und Sehen vergeht. Die drei jungen Schweizer standen bereits mit zahlreichen Grössen ihres Genres auf der Bühne, wie zum Beispiel Queens Of The Stone Age oder Wolfmother, was zumindest erahnen lässt, dass die Jungs einiges auf der Platte haben.

Den Auftakt des Abends jedoch übernahmen Preef mit «Sold out», einem einnehmenden Song mit diversen Countryeinflüssen. Danach heizten die drei Jungs mit «Take the Shitheads Bowling» und «Dark Nite» die Stimmung auf. Ein sehr stimmiger Anfang. Dementsprechend entäuschend, wie wenig Publikum am vergangen Freitag zugegen war. Gerade mal dreissig eingeschworene Fans tummelten sich aufgeregt vor der Bühne, um den Stars des Abends Beifall zu klatschen. Nach zirka einstündiger Rock’n’Roll-Berieselung gipfelte der Abend mit Navel im Lärm. Anlässlich ihres neuen Albums «Neo Noir» (erschienen bei Nois-O-Lution, Berlin) spielte Navel im Sedel Luzern mit den Gewalten der Natur um die Wette. Mit markerschütternder Intensität drangen sie bis ins Stammhirn vor und liessen beinahe die Decke einstürzen, sehr zum Leidwesen unserer Trommelfelle. Variantenreicher und technisch versierter als zur Geburtsstunde präsentierte sich die Band gestern als Mass aller Klänge, als Energiebündel von destruktivem Charakter. Experimentell und schmucklos kombinierten sie Grunge mit Blues- und Rock’n’Roll-Elementen und überzeugten durch ihre unverstellte Ehrlichkeit. Vereinzelte Mundharmonika-Solos umschmeichelten die eher harten Songs mit viel Charme und brachten eine unvergleichliche Harmonie zum Tragen. Einsteigend mit «Hunger Child Blues» bediente sich Navel aus dem Repertoire des melancholischen Songwriters Townes Van Zandt. Danach wurde es rauer und trashiger. Jari Antti (Guitar, Vocals), schaltete auf durchgehende Verzerrung und presste mit dem Song «Somehow» den Lärmpegel langsam aber sicher in die Höhe. Doch Drummer Steve doppelte gleich dreifach nach. Er dreschte auf seine Trommeln ein wie ein tollwütiger Kobold und sein Schlagzeug hätte man bereits nach Minuten zum Schrotthaufen erklären können. Für solche Lautstärken dürfte man getrost die Deutschbücher um eine weitere Deklinationsstufe ergänzen, den «Destruktiv». Gegen Ende des Konzerts driftete Navel jedoch zu stark ins Klangexperimentelle ab, was den Zuhörern ziemlich auf die Nerven ging und dann verschwanden die drei Bandmitglieder urplötzlich im Trockeneisnebel. Verwirrender hätte der Abgang kaum sein können. Ein energiegeladener Abend, der alle Lärmschutzschranken durchbrach und den Grunge der 90er-Jahre alt dastehen liess. Jedenfalls wurde kräftig auf den Putz gehauen.