Lucerne en recul — oder wo ist Luzerns Luginbühl?

Hätten Sie gewusst, dass die Eisenplastik am Gleis 3 des Luzerner Bahnhofs von Bernhard Luginbühl stammt? Ich nicht. Ich dachte, «Lucerne en recul» sei ein Werk von Jean Tinguely. Eines besseren belehrt hat mich der neue Führer «Kunst im öffentlichen Raum der Stadt Luzern».

(Von Hansruedi Hitz)

«Lucerne en recul» ist ein umkehrbarer Satz, ein Palindrom des Schweizer Künstlers André Thomkins (1930 - 1985). Zusammen mit anderen Künstlern schuf er 1968 Palindrome, die — ausgeführt wie emaillierte Strassenschilder — die Aussenwand des Restaurants von Daniel Spoerri in Düsseldorf angebracht waren. Sein E-Mail-Palindrom «Lucerne en recul» prangt mitten auf Luginbühls Eisenplastik im Luzerner Bahnhof. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die Übersetzung «Luzern im Rückgang» heisst — mehr verlochen könnte man Luginbühls Plastik nämlich nicht mehr. Kein Wunder, wird das Werk aus Eisenbahnschrott am Gleis 3 kaum wahrgenommen.

 «Lucerne en recul» von Bernhard Luginbühl

«Lucerne en recul» bzw. «Luzfigur» von Bernhard, Basil & Jwan Luginbühl (1999) Hand aufs Herz: Haben Sie gewusst, dass auch Luzern einen Luginbühl hat? Haben Sie die Eisenplastik am Gleis 3 schon einmal bewusst wahrgenommen? Letzthin habe ich versucht, im Kopf eine Liste mit Kunst im öffentlichen Raum in Luzern zu erstellen. Ich geb's zu: Obwohl ich mit offenen Augen durch die Welt gehe, war die Liste kurz. Machen Sie den Selbsttest: Wie viele öffentliche Kunstwerke können Sie aus dem Stand aufzählen? Auf einem Kunstspaziergang durch die Stadt habe ich den Test noch variiert und mich gefragt: Wo ist das nächste Werk auf unseren Strassen und Plätzen? Und auch dieser Test hat gezeigt: Kunst im öffentlichen Raum nehmen wir einfach als Bestandteil des Raums, aber nicht als Kunst wahr. Im Fall von Luzern schafft der bereits erwähnte, brandneue Führer «Kunst im öffentlichen Raum der Stadt Luzern» Abhilfe: «Wir machen das Unsichtbare sichtbar — Kunst im öffentlichen Aussenraum» heisst es im Vorwort. Der Verein «Kunst animiert Kunstinteresse» hat in akribischer Kleinarbeit über 500 Werke dokumentiert und im Stadtplan verortet. Der Führer ist in sieben Kapitel eingeteilt: Freistehende Kunstwerke, Brunnen, Fassadenkunstwerke, Fassadenmalerei, Installationen, Gedenksteine und Helgeli sowie schmiedeiserne Schilder. Schade ist nur, dass der Führer keine Zusatzinformationen bietet, denn oft sind die Anekdoten zu einem Werk spannende Geschichten. Kunst im öffentlichen Raum ist oft nicht angeschrieben. Hat ein Werk das Interesse geweckt, steht man dann davor und ist so klug wie zuvor. In diesem neuen Führer kann man jetzt nachsehen, wie ein Werk heisst, wann es entstanden ist und wer es geschaffen hat. Eine sehr hilfreiche Dokumentation, die einem die Augen öffnet! Verein Kunst animiert Kunstinteresse (Hrsg.)(2010): Kunst im öffentlichen Raum der Stadt Luzern. Eigenverlag, Luzern. Preis: 32 Franken plus Versandkosten. Informationen und Bestelladresse: www.kak-luzern.ch