Little Barrie – Fünf Füsse kicken den Stein

Gitarre, Bass, Schlagzeug. Je einfacher das Rezept, desto besser müssen die Zutaten sein. Was auf dem Herd hinhaut, klappt auch auf der Bühne.

(Von Nick Furrer)

Mir lief das Wasser im Mund zusammen, als ich gestern meinen Stempel am Schüür-Eingang kriegte. Ganz ohne Vorurteile war ich nicht gekommen. Als 15-Jähriger stolperte ich 2005 durch das Blueballsvolk und wartete vor dem Pavillon auf mein Bier und eine Band, die ich nicht kannte. Londoner. Im selben Sommer wurde «We Are Little Barrie» zu meiner Lieblingsplatte, die drei Londoner zu meinem Inbegriff von Rock’n’Roll.

Mit einer gesunden Portion Nostalgie wartete ich also, bis das Konzert von The Vibes vorbei war – eine gesattelte Rockshow im Vorprogramm, die gut funktionierte, aber nicht das war, wonach ich heute Abend suchte. Ich suchte die kleinen Fenderverstärker, ich suchte den Soul. Die Marshallklötze wurden beiseite geschoben und zum Vorschein kamen die niedlichen Fenderamps, die ich wollte. Das Trio zeigte sich: ein gepunktetes Hemd, eine Frisur von gestern, ein Schnauzbart und schon war das Gefühl da, zufälligerweise am richtigen Ort zu sein. Virgil Howe (Drums) forderte den Lichtler auf, ihm das Publikum zu zeigen. Dieses strahlte mit mehr oder weniger zahlreichen Gesichtern zurück, der Stein wurde vor dem Abhang in Position gebracht. Die Frohnatur von Drummer schien sich von Anfang an wohl gefühlt zu haben und gab dem Stein einen ersten Kick. Die gute Laune übertrug sich auf seine Bandkollegen und schliesslich auf die Zuhörer. Jene waren zu meiner Überraschung jünger als erwartet – wahrscheinlich wussten viele eingefleischte Gitarrenfans einfach nicht, dass nach ihren toten Helden noch nicht Schluss war. Barrie Cadogan (zeitweise Gitarrist von Morrissey, Primal Scream oder Paul Weller) ist der Neuanfang der «Gitarre-umhängen-und-Stöpsel-rein»-Ideologie. Was der mit sechs Saiten macht, schaffen andere mit sechzig Effekten nicht. Das Schüür-Publikum jubelte zwischen den Gitarrensoli – das soll schon was heissen. Der Stein rumpelte zu diesem Zeitpunkt schon längst bergabwärts. Dass Cadogan weiss, was er da tut, konnte man Lewis Whartons (Bass) gelassenem Gesichtsausdruck entnehmen, wenn er zu seinem Frontmann rüber schielte. Seine Basslinien klangen trockener als er sich ohnehin schon zur Schau stellte – grossartig! Dass der arme Kerl einen lädierten Fuss hatte, merkte ich erst, als er für die Zugabe wieder über die Bühne hinkte.

Eine Verletzung, die in seinem Fall bestimmt nicht vom Tanzen kommt. Für die elektrisierende Live-Performance waren Cadogan und Howe verantwortlich. Letzterer ersetzte Wayne Fulwood (Drummer auf dem Debüt) würdevoll, wenn auch die souligen Background-Gesänge mit Fulwood für alle Zeiten aus dieser Band verschwunden sind. Spätestens bei «Why Don’t You Do It» spürte ich aber die Soulbrise und es faszinierte mich der rohe Gitarrensound von Kopf bis Fuss. Wenn Little Barrie Rock’n’Roll macht, dann rollt der Stein ungeschliffen ins Tal. Völlig natürlich klingen dabei einzelne Unreinheiten etwa des Schlagzeugers – der Stein soll ja bekanntlich nicht gleiten, sondern rollen. Little Barrie überzeugten mich vor sechs Jahren von der unverfälschten Gitarrenmusik. Heute Abend überzeugten sie mich vor allem von sich selbst. Als ehrliche Band, die ihren Platz im Genre-Dschungel gefunden und die keinem Hype-Affen etwas vorzumachen hat. Allen voran Barrie Cadogan – «der beste Gitarrist seiner Generation». Die Zutaten des einfachen Rockkonzepts schienen übrigens nicht nur mir zu munden – die CDs waren ihnen vor der Ankunft in Luzern ausgegangen …