Leberhauer, kein Theater!

Leberhauer taufte seinen Erstling im Kleintheater. Er selbst war auf dem Luzerner Bier zu sehen. Um das Kleintheater auf den Kopf zu stellen, bräuchte es aussergewöhnliche Einfälle.

(Von Nick Furrer)

A.: «Läck ist das eine Luft hier.» K.: «Vier Kafi Schnaps, bitte!» J.: «Hey Hey Hey, langsam. Ich nehme ein Bier.» Barkeeperin: «Drei Kafi Schnaps und ein Bier?» J.: «Drei Kafi Schnaps und ein Bier.» M.: «Also ich weiss nicht …» A.: «Das rote Barock-Hemd?» M.: «Das sah doch dürftig aus, oder?» J.: «Ist vielleicht wegen dem Wiedererkennungswert. Das Hemd trägt Leberhauer schon auf der Etikette vom Luzerner Bier.» K.: «Tatsächlich! Passt ja zu ihrem Stil.» A.: «Wie jetzt?» K.: «Er sagt ja selbst, sie machen Liedbrauerei.» A.: «Aha. Hab ich verpasst. Aber ist euch aufgefallen? Leberhauer trank Knutwiler. Ich fand das lustig.» M.: «Lustig?» K.: «Er fands halt lustig, dass ein Leberhauer Mineralwasser trinkt. Krieg ich noch ein Zucker extra, bitte? Danke.» Die Barkeeperin lässt einen Löffel fallen. Man hört seinen dumpfen Aufprall auf dem weichgetrampten Holzparkett. Dann dreht sie die Jazzmusik etwas auf. J.: «Also mir hat die Band gefallen.» A.: «Die jazzigen Parts waren spitze.» K.: «Genau. Sobald es rockig werden sollte, wurde es dürftig.» M.: «Aber überleg mal. Es war im Kleintheater.» K.: «Und deshalb darf man nicht abdrücken, oder was?» M.: «Mein ja nur. Es passte in die Theateratmosphäre, dass die lauten Stücke leise blieben. Und die Texte hab ich so schon schlecht genug verstanden.» K.: «Wer Rock spielen will, der soll das richtig tun. Auch auf einer Theaterbühne. Oder es sein lassen.» M.: «Spiel du erst mal eine solche Bandbreite an Stilrichtungen, so wie die heute. Das will ich sehen.» A.: «Das Kleintheater stellten sie jedenfalls nicht auf den Kopf. Da haben sie auf Facebook etwas zu hoch gepokert.» J.: «Das passt aber. Mir gefiel seine selbstsichere Art. Und seinen Sinn für Humor. Manchmal blitzte sogar Helge Schneider über seine Mundwinkel.» K.: «Hab ich verpasst.» A.: «Sinn für Humor? Wenn es lustig sein sollte, was er erzählte oder sang, fand ich das selten wirklich lustig.» J.: «Ich lachte immer dann, wenn es gar nicht lustig sein sollte. Das ist auch eine Form von Humor. Es muss mit der Bühnenpräsenz vom Sänger zu tun haben.» A.: «Er nahm noch Stellung zur CD-Kritik im Kulturmagazin. Soll ziemlich negativ ausgefallen sein. Hat die jemand gelesen?» J. und M.: «Nein.» K.: «Nö.» A.: «Naja. Ich auch nicht. Klang so, als habe ihm einer geraten, den Tag zu nutzen. Er hat ja dann dieses Carpe-Diem-Lied gesungen. ‹Ech chönti de Tag besser nötze, wenn ech mech ned emmer vor serige Rotschläg mössti schötze› oder so ähnlich hat der Text geheissen.» K.: «Klingt ja fast nach einer Retourkutsche.» Man tauscht einige ratlose Blicke. J. nippt an seinem Bier. M. verlagert das Gewicht seines Oberkörpers auf seine Ellbogen, die er jetzt auf dem kleinen Tischchen aufgestützt hat. M.: «Mein persönlicher Höhepunkt war der Western-Song zu Emmenbrücke.» A.: «Fand ich auch stark. Emmenbrücke als Wilden Westen von Luzern zu bezeichnen, hab ich mir noch nie überlegt.» M.: «Da ist es ihm gelungen, die Realität gewissermaßen neu widerzuspiegeln.» Barkeeperin: «Letzte Runde!» K.: «War auch wieder sehr schön gespielt. Aber wisst ihr was? Wenn ich so was machen würde …» M.: «Machst du aber nicht. Noch einen Kafi Schnaps, bitte!» K.: «Ja, aber wenn ich so was machen würde, mit Mundart und so. Ich würde weniger poetisch sein wollen.» A.: «Ich weiss, was du meinst. Die Dinge beim Namen nennen. Die Sprache nicht nach Poesie klingen lassen wollen. Poesie kommt von alleine. Teilweise gelang das auch.» K. «Ja, teilweise.» J.: «Man hat auch gleich höhere Ansprüche, wenn einer in der Alltagssprache singt. Da versteht man alles.» M.: «Wenn du das nicht willst, musst du nicht Mundart machen.» J.: «Klar. Trotzdem sollte man jeden aus Prinzip loben, der es in der heutigen Zeit wagt, schweizerdeutsche Lieder zu machen. Es gibt Ausnahmen …» K.: «Man soll ja nicht vergleichen. Aber mir kommt Paolo Conte in den Sinn. Alles was ich da verstehe, ist Gelati Al Limun.» M.: «Es heisst Gelato Al Limun. Mit O.» K.: «Obwohl ich kein Wort verstehe, ziehen mich die Lieder in ihren Bann. Ich fühle sie einfach.» A.: «Und du fragst dich, ob das bei Leberhauer funktionieren würde?» K.: «Ja. Ich glaube nicht.» J.: «Das sind jetzt aber auch die ganz grossen Vergleiche, Jungs.» A.: «Wer das Kleintheater auf den Kopf stellen will, muss mit grossen Vergleichen rechnen.» J.: «Da steckt ja auch viel Ironie im Ganzen.» M.: «Klar. Mit Ironie kannst du jede Kritik aushebeln.» J.: «Wer in einem Lied von Dub über Disco-Rock ins Jodeln wechselt, hat von Kritikern nichts mehr zu befürchten. Ich nehm noch ein Bier.» Die Barkeeperin räumt die Gläser weg. Die Playliste im Laptop links vor dem Schnapsgestell beginnt wieder von vorne.