Kunst in der alten Teigwarenfabrik

In der ehemaligen Teigwarenfabrik, von den Kriensern liebevoll Teiggi genannt, hat sich ein neuer Kunstraum eingerichtet. Mit der Ausstellung vorOrt 1 wird erstmals das vielseitige Arbeiten von Krienser Künstlerinnen und Künstler der Öffentlichkeit präsentiert.

Kriens, Samstag, 02. Juni 2012. Die allererste Ausstellung im Kunstraum Teiggi wird mit einer Auswahl aktueller Arbeiten von Krienser Kunstschaffenden eröffnet. Unter dem Titel «vorOrt 1 Krienser Kunstschaffende» werden insgesamt zehn verschiedene künstlerische Positionen der Öffentlichkeit präsentiert. Diese Werkschau bildet den ersten Teil einer Ausstellungsreihe, die ihre Fortsetzung im Herbst 2012 mit der Ausstellung «vorOrt 2 Krienser Kunstschaffende» erfahren wird. Die Verbindung zwischen den ausstellenden Künstlerinnen und Künstler bildet der individuelle Bezug zur Gemeinde Kriens, sei es als Geburtsort, Wohnort oder Arbeitsplatz. Mit dem neu initiierten Kunstraum Teiggi wird durch das gemeinsame Ausstellen die Möglichkeit geboten, die Kunstschaffenden und ihre Arbeiten in Kriens zu verorten und einem breiten Publikum zu präsentieren. Als ein Ort für die Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur fördert der Kunstraum Teiggi die Zusammenführung unterschiedlicher Kunstproduzenten aus Kriens, die in den Bereichen Malerei, Zeichnung, Serigrafie, Installation, Video und Performance tätig sind. Mittels der Ausstellung «vorOrt 1 Krienser Kunstschaffende» wird ein Teil des künstlerischen Spektrums in Kriens sichtbar gemacht. Das Resultat ist eine Ausstellung, die eine grosse Diskrepanz und Variantenvielfalt zwischen den einzelnen Werken aufweist. Neben raumspezifischen Arbeiten, die für die Räume des Kunstraums Teiggi erarbeitet wurden, integrieren sich vor allem Kunstwerke aus dem zeitgenössischen Oeuvre der Künstlerinnen und Künstler.

Die Rauminstallation von Konrad Abegg (*1950) präsentiert dem Betrachter die Szenerie eines Bergmassivs, dessen kraftvolle Landschaft wechselhaften Witterungsverhältnissen ausgesetzt ist. Das von Lawinenniedergängen, Bergseen und Luftbewegungen definierte Gelände entwickelt sich aus einem dynamisierten Malprozess mit unterschiedlichen Werkzeugen und beinhaltet eine Referenz an den Luzerner Hausberg Pilatus. Die Figur mit der Haltung einer Synchrontänzerin versucht durch ihre impulsive Aktion die Berglandschaft förmlich abzustreifen und aus der Beengung des Raumes auszubrechen. Die Videoinstallation ergänzt die malerische Arbeit insofern, als dass mittels Gebärdensprache eine nonverbale Verbindung quer durch den Raum hergestellt wird.

Symbolbehaftet inszeniert Romuald Etter (*1959) komplexe und tiefgründige Zusammenhänge der menschlichen Existenz, indem er aus einer Kombination von Objekten, Kunstharz, Ölfarbe und Siebdruck auf Isolationsverglasung eine mehrschichtige Installation konstruiert. Ausgehend von einem eingeschlossenen Ernährungsbeutel, der die künstliche Versorgung der Plastikblumen gewährleistet, ergibt sich der Werktitel Ausfluss der Illusion. Die auf einem leicht vergilbten Schaumstoffkeil bestückten künstlichen Blumen thematisieren eine prozesshafte Vergänglichkeit und setzen sich als Referenz im Bildhintergrund fort. Gepaart mit unreifen Trauben, die symbolartiges Wachstum und Reife beinhalten, komplementiert das Motiv des Kunststoff-Bärchens die Installation. Das in Griechenland gefundene und vom Meerwasser zersetzte Strandgut visualisiert im Gesamtwerk eine entrückte und endliche Kindheit.

Das Künstlerpaar Susanne und Werner Haas (*1959 und *1953) arbeitet gemeinsam im Fachbereich Serigraphie und Druckgrafik. Die Ausgangslage für ihre Arbeiten bilden jeweils Fotografien aus dem eigenen digitalisierten Album, die eine Transformation mittels Siebdruckverfahren in Serigraphien erfahren. Scheinbar unspektakuläre Motive erhalten durch das aufwändige Verfahren eine neue Identität, die vor allem in der gewählten Darstellungsform des Siebdrucks und der Anonymisierung der Bildinhalte sichtbar wird. Die unterschiedlichen Farbwerte der Pixeldarstellung erzeugen dabei eine pulsierende Ambivalenz zwischen Zeit und Bewegung. Eigens für die Ausstellung im Kunstraum Teiggi konzipierten Susanne und Werner Haas eine ortspezifische Serie unter dem Titel Vorort, die sich mit der Vieldeutigkeit von Kriens als städtischen Vorort von Luzern auseinandersetzt.

Die Holzskulpturen und Reliefs von Eveline Kiener (*1964) beschäftigen sich mit der Entwicklung, Veränderung und Wandlung von Menschen und der dazugehörigen Einbettung der menschlichen Existenz in den Lebenszyklus. Den künstlerischen Ausdruck erfahren die Werke von Eveline Kiener durch den Einsatz einer Elektromotorsäge in Kombination mit dezenter Farbakzentuierung. Die gesamte Installation mit dem Titel Innenraum besitzt diverse Bezüge zwischen den gezeigten Werken; so verweist die Figur im Aussenraum auf das Innere des kleinen Kabinetts, wo das Holzrelief die verschiedenen menschlichen Stationen innerhalb der Lebenslinie thematisiert. Beginnend in den unteren Bereichen erstreckt sich das Körperliche in Form von Kindheit und Jugendlichkeit nach oben hin zu einer Spiritualität im Alter in Richtung Endlichkeit. Der kleine Engel steht in Verbindung zu diesem Lebenszyklus und wird ergänzt durch ein stilles Licht, das den Lichtraum in uns symbolisiert. Die Motive entspringen aus der Vorstellungskraft der Künstlerin, die mit ihrer Ahnung versucht quasi Unfassbares sichtbar zu machen.

Laura Laeser (*1982) entwickelt im Kunstraum Teiggi eine raumspezifische Wandarbeit im Eingangsbereich. Die Wandinstallation besteht aus einer intuitiven Kombination von dunklen Strichformen aus Farbe und teils schwarz gebeizten, an die Wand genagelten und in das Bild integrierten Schwemmholz-Ästen. Laura Laeser konzipiert ihre Werke aus momentanen Gefühlslagen, dominanten Örtlichkeiten, drängenden Bedürfnissen oder dem schlichten Verlangen nach Ruhe. So entstand eine fliessende, raumgreifende, Linien und Ecken auflösende Installation, welche die volle Aufmerksamkeit des Betrachters benötigt. Künstlich gemalte Formen werden in Verbindung zu den natürlichen Linien der Äste und Zweige gesetzt, um den Raum neu zu definieren.

Die hohen Ausstellungswände bieten eine ideale Ausgangslage für die erstmalige Präsentation der farbintensiven Arbeit unaufhaltsames Wachstum von Ruth Levap Zehnder (*1940). Die klare geometrische Anordnung der sechzehnteiligen Arbeit widerspiegelt sich auch in der Komposition der einzelnen Bildtafeln. Insgesamt fünf verschiedene Farbabstufungen, die durch minutiöses Aufhellen bzw. Abdunkeln des Grundtons erreicht werden, sind für die vibrierende Intensität und die Wechselwirkung der Farben verantwortlich. Dieser augenscheinliche Effekt wird durch die wiederholende Verwendung der identischen Flächen, Linien und Kreise zusätzlich verstärkt. Als Gegenpaar setzt Ruth Levap Zehnder die Arbeit und, die Insel wird immer kleiner, die repräsentativ für fragmentarische Lebensabschnitte steht.

Beginnend mit freier Malerei, die durch einen intuitiven und variantenreichen Farbauftrag mittels Acryl und terpentinverdünnter Ölfarbe auf Holz entsteht, erweitert Thomas Muff (*1964) seine grossformatigen Bilder mit form- und kontrastgebenden Umrissen von Fotografien aus Zeitungen, privaten Fotoalben oder Malerei-Lexika. Neben der herausfordernden Suche nach geeigneten Motiven, die sich mit der freien Malerei arrangieren können, bildet der akribische Übertrag einen konsequenten Gegensatz zum Entstehen der freien Malerei. Durch zwei differenzierte Bildsprachen und den Mut des Experimentierens erschafft Thomas Muff neue, sich ineinander auflösende Formen, die fantasievolle Raumgebilde entstehen lassen.

Die Basis für die Malerei von Bea Portmann (*1953) ist die Bearbeitung von weissem Papier mit Wasser, die eine wellenartige Riffelung als Grundmuster ergibt. Das Bemalen des reliefartigen Untergrundes mit Ölkreide verursacht die spezielle Vermischung der Farben an höheren und tieferen Stellen der Riffelung. Es entsteht eine unterschiedliche Intensität oszillierender Farbtöne, welche durch die senkrecht verlaufende Oberflächenstruktur das Herauskristallisieren von Formen wie Gewächs begünstigt. Zusätzlich erscheint eine sichtbar dynamische Bewegung in den Bildern, die den Farben eine gewisse Lebendigkeit verleiht.

Monika Rosa Rossi (*1954) zeigt eine arrangierte Auswahl ihrer monochromen Farbtafeln, die aus mehrschichtigen Überlagerungen von Ölfarbe entstehen. Die wichtigste Komponente ist die Farbe, deren akribisches Mischverhältnis am Anfang jeder Arbeit steht und ausschlaggebend für die Kompaktheit der Bilder ist. Monika Rosa Rossi benutzt kraftvolle und lebendige Mischungen, die eine vielseitige Korrespondenz der Farben hervorrufen. Eine verstärkte Tiefenwirkung erzielt der dunkle Anstrich des Keilrahmens, welcher sich optisch über die Seitenränder ins Bild fortsetzt. Es entsteht eine Wechselwirkung zwischen einzelnen Bildteilen, die dem Betrachter die Ausdruckskraft der Farben aufzeigt.

Die raumspezifische Arbeit mit dem Titel Desperate Housewife von Franziska Schnell (*1963) beschäftigt sich mit ihrer simultanen Tätigkeit als Kunstschaffende und Hausfrau. In Anlehnung an den berühmten Sisyphos aus der griechischen Mythologie versucht Franziska Schnell regelmässig gegen den Berg voller Wäsche anzukämpfen und ihn zu bezwingen, ohne reelle Aussicht auf das Erreichen des Gipfels. Ihre Bodeninstallation besteht aus den stetig wiedekehrenden Flusen, die nach jedem Waschgang in einem Auffangsieb übrig bleiben. Die spezifische Anordnung auf den Keramikplatten korrespondiert mit der Funktion des grossformatigen Wandspiegels und suggeriert dem Betrachter ein künstlich erweitertes Abbild der Installation.

Anlässlich der Vernissage haben die beiden Künstlerinnen Jennifer Kuhn (*1970) und Vreni Wyrsch eine Dauerperformance auf dem Vordach der alten Teigwarenfabrik durchgeführt. Der Titel lautete, in Anlehnung an ein berühmtes Werk von Giorgio de Chirico, Die beunruhigenden Musen.

Die Ausstellung vorOrt 1 – Krienser Kunstschaffende ist noch bis zum 1. Juli 2012 geöffnet. Öffnungszeiten sind jeweils Mittwoch und Freitag von 18.00 - 21.00 Uhr, Samstag und Sonntag von 14.00 - 18.00 Uhr. Eintritt ist gratis.