Heidenlärm in der Schüür

Abinchova, die in einem Poll des Online-Metal-Magazins «Metalfactory» zur fünftbesten Newcomerband 2010 gewählt wurden, luden gestern in der Schüür zur Taufe ihres Erstlings «Versteckte Pfade». Mit viel Alkohol, überbordernder Spielfreude und messerscharfen Gitarrenläufen.

Ich muss gestehen: Die erste Vorband, die Wadtländer von Castleway verpasste ich, wie so viele, die sich erst nach und nach in die Schüür einfanden. Den Auftritt von Deathrope, der Outlaw-Country-Truppe um Nathan Denyle, schaffte ich jedoch glücklicherweise. Ihre Songs, die u.a. von Banditen, Revolverhelden, schiesswütigen Sheriffs, alkoholdurchtränkten Nächten und Verfolgungsjagden durch staubige Wüsten handeln und Titel wie «I Am The Law», «Mexican Murder» oder «Tutti Dolari Per Me» tragen, sind wahre Perlen des Genres, die Band eine segensreiche Entdeckung! Deathrope spielten vor allem Songs des im Dezember 2010 erschienenen Albums «Hang em High». Eine eindrucksvolle Erscheinung, das muss doch noch rasch festgehalten sein, auch Basser  Richland K. Harper ohne Shirt, mit imposant tätowierter Vorder- und Rückseite und ungleich imposanter Haar- und Bartpracht. Eine Truppe ähnlichen Stils hätte es nach dieser Band schwer gehabt. Nicht so für Abinchova – sprich nicht etwa «Äbintschoua», sondern wie mans schreibt mit «a» und «ch» – die sich in der Folk-/Death-Metal-Ecke einordnen.Man darf sie durchaus in die Nähe der im Ausland erfolgreichen Schweizer Band Eluveitie rücken. Abinchova ist eine alte, lateininische Bezeichnung für Ebikon, woher die Gründungsmitglieder der Truppe stammten, von denen heute bloss noch eines übrig ist. So verwunderte es dann auch nicht, dass in den ersten Reihen eine Ebikoner-Flagge hochgehalten wurde. Das Album spielte die Band 1:1, von vorne bis hinten. Angefangen mit «Präludium», einer auf Mundart erzählten Geschichte von sieben Musikanten, die sich den Bauch voll schlagen und besaufen und auf ein «gar sältsams Wäse» treffen. Apropos betrunken: Auf Facebook rief die Band auf, unter dem Post der Plattentaufe «Gefällt mir» zu klicken. Für jeden solchen Klick wollten sie dann einen Shot Schnaps verteilen. So kams auch. Exakt 3.72 Liter wurden vom eigens dafür eingestellten Barmann von der Bühne her unters Volk gebracht. (Auch die Musikanten soffen ordentlich. Wie die dann noch all die Läufe und Tempowechsel hingekriegt haben, Chapeau!). Shouter Arnaud Hilfiker hatte das Publikum von der ersten Minute an auf seiner Seite.  Die Melange aus Folk-Metal, Mittelaltermelodien, Operngesang und hammerharten Gitarrenriffs kam an. Meine persönlichen Höhepunkte waren das zwischen Screams und Frauengesang changierende «Pestfinger», wo der Hilfiker seinen Protagonisten auffordert, dessen Finger abzuhacken, der pestverseucht ist und die zeitlose Trübsalballade «Ein Lied», mit dem Text von Joseph von Eichendorff und das melodisch-treibende Abenteuer, das Ohrwurm- und Hitpotential hat. Und wieder mal muss es angekreidet werden: Die Schüür hat das mit Abstand unsympathischste Sicherheitspersonal aller ernstzunehmenden Luzerner Konzerthäuser. Unfreundlich, stets an der Grenze zur Paranoia, den harten Mann markierend, null soziale Intelligenz. Was auch schon auftretende Bands zu spüren bekamen. Keine Ahnung, wie da rekrutiert wird, wäre aber sicher mal 'ne Story wert. Die Schüür-Security hat sogar eine eigene Facebook-Hassgruppe (auch unter aller Sau, ja – aber immerhin). Da glimmte gestern in den vordersten Reihen gegen Ende des Konzertes, zu später Stunde, eine einzige Zigarette. Es ging keine halbe Minute bis ein Wachhund dort stand und das mit aller Vehemenz unterband. Übertrieben, peinlich und kleinlich!