Haus der Lüge

Luzerner Theater, 23.02.2018: Bruno Cathomas Inszenierung des Sommernachtstraums spielt mit der Vorstellungskraft des Publikums und nutzt dabei die elisabethanischen Umstände des umgebauten Theaters genussvoll aus.

 

 

Eine leichte Verwirrung macht sich breit, als man das Luzerner Theater betritt, und merkt, dass die Bühne anders aussieht, als man sie erwartet hatte. Leer stehen Holzbretter in der Mitte des Raumes, an dessen Rändern nun ein mehrstöckiges Gerüst steht, auf dem das Publikum rundherum platziert wird. Der «Globe» ist an das namensgebende elisabethanische Theater in London angelehnt, welches vor allem als Aufführungsstätte von William Shakespeares Stücken Berühmtheit erlangte. Es ist also schon mal etwas Aussergewöhnliches das Stück in dem Rahmen zu erleben, in den es hineingeboren wurde.

Das Stück ist kein geringeres als «Ein Sommernachtstraum», eines von Shakespeares Bekanntesten. Es geht darin um erwiderte und abgelehnte Liebe, um Lust und Begierde, um Streit, und auch um Theater an sich. Im Mittelpunkt steht die Beziehung von Hermia und Lysander, obwohl Hermia Demetrius heiraten sollte, welcher wiederum von Hermias Freundin Helena geliebt wird. Diese vier Liebenden und Nicht-Liebenden geraten in den Streit des Elfenkönigspaars Oberon und Titania. Durch Verwechslungen und einer Prise Lust am Chaos von Oberons schelmenhaftem Diener Puck wird die Situation nur noch komplizierter. An einem anderen Ort übt eine Gruppe von Laienschaupielern ein Stück für eine grosse Hochzeit.

Genau so verwirrend, wie das klingen mag, ist es zuerst auch für das Publikum, sofern dieses mit der Geschichte nicht vertraut ist. Man wird hineingeworfen, fühlt sich überfordert, aber lernt dann doch schnell, wie man diese Geschichte mitgestalten muss. Und das macht gerade die Stärke dieser Inszenierung von Bruno Cathomas aus. Das Publikum wird gefordert. Einerseits muss es der Geschichte folgen, und anderseits das nicht existierende Bühnenbild mental erschaffen.

PuckOberon

 

Durch den Umstand, dass die Schauspieler ganze 360 Grad zur Verfügung haben, wird dieser Vorstellungsakt etwas erschwert. Manchmal versteht man den eben gesprochenen Satz nicht, manchmal sieht man eine Szene nicht ganz genau. Aber trotzdem funktioniert das Ganze, den Faden verliert man nie. Cathomas Version des Sommernachtstraums ist gespickt mit Filmzitaten, Anspielungen auf andere Stücke, und musikalischen Einlagen, von einem Klavier untermalt. Die Figuren sind überdreht, überzeichnet, schrill, obszön, und vermögen immer wieder den Zuschauern und Zuschauerinnen ein Lachen abzuringen. Vor allem die Slapstick-Einlagen erzielen hörbare Reaktionen. Es ist witzig, ohne sich aber über sein Original lustig zu machen. Man weiss auch nie genau, ob man in den Zuschauerrängen eine grössere Rolle spielt, als man denkt. Wie der Elfenkönig Oberon (André Benndorff) fragt man sich auch immer wieder: Können die mich sehen? Ein allgegenwärtiges Spiel mit der Meta-Ebene.

HermiaDemetrius

 

Im Verlauf des Stücks füllt sich die Bühne. Die Figuren (oder sind es schlussendlich doch die Schauspieler selbst?) verlieren Teile ihrer Kostüme, Requisiten werden liegengelassen. Als ob das Publikum getestet wird. Die Vorstellungskraft wird strapaziert. Wie weit kann das Publikum diesen Zerfall mit seiner Fantasie ausmerzen? Am Ende liegen all diese Fetzen, Kleidungsstücke und Requisiten wie Schatten des kurz zuvor Erlebten über den Holzboden verteilt. Eine Erinnerung daran, dass doch nicht alles nur im Kopf geschah. «Theater ist Lüge», sagt Squenz (Adrian Furrer), der Regisseur des Stücks im Stück. Das mag sein, aber es ist eine Lüge, der wir alle bereitwillig Glauben schenken.

 

(Fotos: Ingo Höhn)

Inszenierung: Bruno Cathomas Bühne: Natascha von Steiger Kostüme: Aleksandra Pavlović Licht: David Hedinger-Wohnlich Sounddesign: Daniel Almada Dramaturgie: Julia ReichertAngela Osthoff

Besetzung: Melanie Lüninghöner (Hippolyta / Titania)André Benndorff (Theseus / Oberon)Wiebke Kayser (Puck)Verena Lercher (Hermia)Alina Vimbai Strähler (Helena)Christian Baus (Lysander)Jakob Leo Stark (Demetrius)Adrian Furrer (Squenz)Lukas Darnstädt (Zettel)Michel Kopmann (Flaut)Anna Rebecca Sehls (Matz)Daniel Almada (Live-Musik)

Noch bis am 11. März im Luzerner Theater. Weitere Informationen: https://www.luzernertheater.ch/einsommernachtstraum