The Ghost of Tom Waits

Was haben Elton John, Procol Harum, The Grateful Dead und aber auch Franky Silence & Ghost Orchestra gemeinsam? Was hat wahlweise Jeff Bridges oder Udo Jürgens mit dem Doppelkonzertabend im La Fourmi vom Samstag zu schaffen? Fragen über Fragen. Für endgültige Antworten bitte weiterlesen.

Hej, nicht Francis, sondern wie erfreulich-überraschend: Das Fourmi zeigt sich am Samstag gerappelt voll, weil ein neugieriges sowie wohl auch den Bands bekanntes Grosspublikum ins Frigorex-Gebäude geströmt war. Die Affiche: Doppelkonzert mit teilweise Einheimischen, namentlich natürlich Franky Silence & Ghost Orchestra sowie das Sandy Dillon Project. Einmal Eigenes aus dem Geiste der Filmmusik (besonderes Genre), einmal Gecovertes aus dem Geiste von eben Sandy Dillon. Und Zufälligkeit: Beide Line-Ups zählen in Vollbesetzung je sieben Mitglieder. Welche Gemeinsamkeit die Septette aufwiesen, wird sich gleich zeigen. Zu Eingangsfrage mit Elton John & Co.: Dieser und die vorher Folgenden zeichnen sich durch den besonderen Umstand aus, dass sie über eigene Haustexter verfügen, die im besten Fall auch integrierte Band-Mitglieder sind. Gemäss der obigen Reihenfolge: Bernie Taupin, Keith Reid, Robert Hunter und Pablo Haller. Das mit Udo Jürgens erklärt sich gleich so: Zu einer Art Spoken-Word-Vorrede in Mundart zur Etablierung von Inhaltlichem (mit den Protagonisten Lala und Lenny und einem Etablissement namens «Blue Lagoon») stellt sich Texter Pablo Haller ganz zu Anfang vors Mikrofon, in einen weissen Bademantel gewandet. Er hat sich diesen nicht von Udo Jürgens ausgeliehen, der das Kleidungsstück ja jeweils auch erst zur Zugabe anzieht. Also eher Jeff Bridges, genauer genommen: seine Rolle als schlabberlookiger Dude Lebowski im bekannten Coen-Film (1998). Und wie es nun auch schön passt: Jeff Bridges wird bald in einem neuen Coen-Streifen zu sehen sein. Es ist das Western-Remake «True Grit». Womit wir beim Film und beim Western wären. Franky Silence & Ghost Orchestra nennen ihr Programm «Recordings For Imaginary Movies». Musik aus Filmen, die es gar nicht gibt. Da werden eben Western-Assoziationen wach, Film-Noir-Anleihen evoziert und gemahnt es an dramatische Filmfach. Und an Sounds, wie sie der gelegentliche Schauspieler und nicht unbedingt seltene Filmmusik-Komponist Tom Waits mit unverkennbaren Klangbildern immer wieder mal schafft. Was das Franky-Stammtrio Adi Rohner (Kontrabass, Lapsteel-Guitar), Sabrina Troxler (Gesang) – beide auch Kompositionen – und Pablo Haller mit kompetenten Mitmusikern erweitert in Septett-Stärke hervorzaubert, sind wunderbar unaufgeregte Töne (Songs und Instrumentals), die eben Filmen entsprungen sein könnten. Da ist es nicht zuletzt, über das Hörbare hinaus, auch immer spannend, der Musik zuschauen zu können, denn die Instrumentierung ist abwechslungsreich, da wird interessant perkussiv gearbeitet, da klingt das Akkordeon und rumpelt das Banjo, es wird in wehmütige Klarinetten geblasen und auf der unvergleichlichen Marimba gespielt. Man möchte gern wieder mehr davon haben. Noch diesen Frühling geht’s nun ins Studio, so dass bald ab Tonträger dieser Americana-Wüstenrock-Folk-und-Country erklingen möge. Kaum reproduzieren lässt sich dabei wohl der im Fourmi mit Publikumshilfe gespielte Stampf-Klatsch-Blues. Aber wir waren ja dabei. Und es gefällt im Zugabenteil auch das einzige Fremdstück: «Wayfaring Stranger», das Traditional, welches auch schon Leute wie Johnny Cash, Neko Case, Emmylou Harris oder Tim Buckley zu Ehren gebracht haben. Zu siebt ist auch das Sandy Dillon Project. Der Name sagts schon: Hier wird der in England gestrandeten US-Amerikanerin Dillon die Reverenz erweisen. Dillon hat ja den Ruf, so etwas wie ein weiblicher Tom Waits zu sein (weibliche Vergleichsgrössen, u.a.: Patti Smith, Janis Joplin, PJ Harvey). Ein Stück wie «Too Ruff» ab dem Dillon-Album «Electric Chair» (1999) ist so etwa explizit «inspired by Tom Waits». Ein Hauptakzent des Songmaterials liegt beim tendenziell Jazzigen, was tüchtig aufgeraut daherkommen kann. Das Kratzige des Originals geht der wandelbaren Stimme von Ines Mauruschat ab, aber an Intensität kann sie dem «Vorbild» bestens das Wasser reichen. Der Anspruch lautet, dem Original, Geist der Sandy Dillon möglichst nahe zu kommen, was auch gelingt. Der Gesangsvortrag wird mit viel tänzerischem Körpereinsatz absolviert, und bei «See You In Hell» lassen sich im Parkett gar ein paar Unentwegte im Publikum selber zum Mittanzen anregen. Weniger zum Tanz geeignet das Schlusstück, Gesang nur zur Fender-Rhodes-Begleitung. Hier findet das Konzert zu einem anderen Moment der Innigkeit. Für die ChronistInnen noch die Line-Ups Franky Silence & Ghost Orchestra: Sabrina Troxler - voc, co-writing Pablo Haller - lyrics Adi Rohner - uprightbass, lapsteel, composition Nik Mäder - voc, clarinets David Bokel - piano, accordion Simon Rupp - guitar, banjo Christian Bucher – marimba, perc Vincent Glanzmann – drums, perc Sandy Dillon Project: Ines Mauruschat - voc Florian Möbes - guit Luzius Schuler – fender rhodes Jonas Tauber - cb Lukas König - dr Isabelle Ritter - bvoc Joe Grin - ssax