Ein Nachtrag: 30 Jahre Sedel – Ausstellung & Konzert

Es schreibt keiner was über die 30-Jahre-Sedel-Ausstellung. Also tu ich es eben.

(Von Dr. Knobel)

Vorbereitungen Zwei Tage vor der Ausstellung ging ich in die Kormschütte, um den Infotisch von Kunz & Knobel zu montieren. Als ich die Kornschütte betrat, hatte ich den Eindruck, nicht der einzige zu sein, der etwas später dran war. Ein Mann namens Patrick Gehrig malträtierte den Infotisch seiner Band Nada mit einem Eisen. Mit der Absicht, ihn aussehen zu lassen, als ob er lange im Keller gestanden hätte. Ich dachte, es sieht eher nach einem grundlosen Zerstörungsakt aus. Wenn man Patrick Gehrig dabei gefilmt hätte, wie er kratzte, schlug und raspelte, hätte man den Film sicher als Kunst verkaufen können. Am nächsten Tag brachte meine Band Die Formfehler den Inhalt unseres Proberaums mit dem Sedelbus in die Kornschütte. Das Herausnehmen der Sitzbänke des Sedelbusses scheint eine Schlosserlehre, ein Zahnarztstudium und den violetten Gurt im Taekwondo vorauszusetzen. Es ging dann aber auch ohne.

Die Vernissage Zur Vernissage kamen sehr viele Leute. Fünf Männer hielten zusammen fünf Ansprachen. Werni Heller (der Papa der Ausstellung) machte den Anfang und dankte kurz den zu Leuten, denen zu danken war. Dann kam Ruedi Meier (Stadtrat). Er sprach schon wesentlich länger und ging auf die Rolle des Sedels als Vorreiter der alternativen Kulturszene ein. Seine Rede war recht trocken, aber sympathisch. Zum Glück rief Hannibal Burri (Crazy) etwas Blödes dazwischen, alle mussten kichern und die angespannte Stimmung lockerte sich. Der dritte Redner hiess Gabor Kantor. Gabor las seinen Text vor, jedoch in sicherer Entfernung des Mikrofons. Danach sagte Adrian Albisser (Präsident Sedel) etwas zum Sedelfilm und dann sollte Martin Gössi (Moped Lads) noch eine Rede halten. Er schien jedoch der Meinung zu sein, dass genug geredet worden sei. Jedenfalls sagte er nur, dass alle endlich etwas trinken sollten.

Zum Getränk spielte meine Band Die Formfehler zum ersten Mal in Pfarrerhemden. Schlagzeuger Baldi Balduin hatte allerdings den weissen Teil für seinen Hemdkragen in unserem Proberaum (in der Kornschütte) verloren. Wir suchten verzweifelt, aber er blieb verschollen und so spielte er ohne. In der Zwischenzeit war es in der Kornschütte 75 Grad geworden und als wir nach dem Spielen unsere Instrumente und unsere Anlage in den Proberaum bugsierten, schwitzte ich wie ein malträtierender Patrick Gehrig. Später wurden im Magdi lebendige Sedeloriginale ausgestellt.

Die Ausstellung Als ich die fertige Ausstellung begutachtete, war ich erstaunt, wie viel Interessantes in letzter Minute noch dazu gekommen war: In einer Ecke konnte man eine mehrspurige Aufnahme einer Band selber abmischen, Heinz Pal Hatte viele Fotos von Konzerten im Sedel aufgehängt, Sämi Hoffman zeigte seine Kunst, welche zwischen Woodoo und UFO einzuordnen ist, Kunz & Knobel hatten einen Infotisch, an dem man sehen und hören konnte, wie eines ihrer Lieder entsteht. Auf einer Weltkarte konnte man schauen, von wo überall auf der Welt schon Bands im Sedel gespielt hatten.

Das Abschlusskonzert Um drei gings los, ich betrat den Jesuitenplatz etwa um vier. Vor dem Restaurant Opus stand eine beachtliche Bühne, der Reuss entlang und vor der Jesuitenkirche hatte es Verpflegungsstände, das Wetter war ein Traum. Zu allem Überfluss versteckte sich die Sonne mehr und mehr hinter dem Opus, was vor der Bühne einen karibischen Schatten erzeugte, in dem man gerne stand. Alle zwanzig Minuten spielte eine andere Sedelband. Sehr beeindruckend fand ich den Auftritt von Preamp Desaster, sie spielten ihren instrumentalen, druckvollen Rock sehr überzeugend. Vera K. spielte auch, sie sang wie eine Frau, die einmal die Woche in die Gesangsstunde geht. Und sie hatte einen Gitarristen dabei, welcher spielte wie ein Gitarrenlehrer, dazu gesellte sich – wohl wirklich spontan – ein Hobbyschlagzeuger, der gerne Bon Jovi hört. Zwischendurch nahm ich einen indisches Gericht zu mir, dieses war von allererster Güte.

An diesem Nachmittag hatte ich auch darüber nachgedacht, ob die Moped Lads denn – indem sie immer exakt die gleiche Punkmusik spielten – diese selber töteten ...? Dann traten sie auf und belehrten mich eines besseren, sie waren grandios! Mein Hunger ebbte nicht ab und ich holte mir in der Bruchstrasse einen Falafel. Im Kebabladen erlebte ich eine lustige Diskussion zwischen indischen Gästen, die das Mittags-Schüler-Menu für zehn Franken haben wollten und den Inhabern des Geschäfts, die nicht ein Wort Englisch sprachen. Aber den Vogel schossen dann Nada ab. Mit Ölfässern, Ketten, einem geheimnisvollen Gestänge mit Bettfedern, Gitarre, Schlagzeug und Gebrüll machten sie einen koordinierten hypnotischen Krach, dass es eine Freude war. Danach ging es in der Metzgerhalle weiter. Aber dort  sah es aus, als wolle ein Bienenvolk in ein Wespennest einziehen. Also gingen Herr Kunz und ich ins Meridiani und probierten den Monatswein.