Ein Konzert von Könnern

Was? Tom Waits? Wieso singt denn da diese unschuldige Mädchenstimme? Und was sollen die ins Englisch übersetzten Texte? Franky Silence & Ghost Orchestra tauften ihren ersten Longplayer im Kleintheater – ein gelungenes Kunstwerk.

(Von Nick Furrer)

Manche geraten beim ersten Hörversuch von «Recordings for Imaginary Movies», dem Debüt-Album von Franky Silence & Ghost Orchestra, ins Stänkern. Dass weder Verfasser noch Sängerin in einer englischsprachigen Stube gross wurden, merkt man auch ohne Zwischenjahr auf der Insel. Nicht dass grammatikalisch etwas vertan wurde, im Gegenteil. Auch stimmen Wort und Aussprache – das ist ja grad das Befremdliche! Die geglätteten Zeilen verfälschen bei allem dunkel-romantischen Inhalt irgendwie die kantige Skulptur, welche die handgemachte Instrumentierung so gekonnt meisselt. Wie um Geistes Namen passt das dennoch zusammen? Franky Silence ist kein schnapsfreundlicher Solokünstler, sondern in erster Linie ein junges Dreigespann, bestehend aus Adi Rohner, Sabrina Troxler (Musik) und Pablo Haller (Text). Das merkt man beispielsweise daran, dass die CD-Taufe statt in einer klebrigen Raucherkneipe im Kleintheater über die Bühne ging. Oder aber man liest Blogs aus der Vergangenheit. In der gestrigen Gegenwart jedenfalls leitete der Textautor den Abend mittels Vorlesung gleich selbst ein. Das tat er sehr abwechslungsreich und kurzweilig. Um das erwartete Zusammenspiel von Text und Ton innig zu begreifen, benötigte es wahrscheinlich jene Atmosphäre, die jetzt geschaffen war. Die beiden Musiker von Franky Silence traten samt dem fünfköpfigen, gut gekleideten Ghost Orchestra (Namen hier aufgeführt) vor die dezent aufgebauten Wände aus Zeitungspapier ins Rampenlicht. Es folgte ein Konzert von Könnern. Unzählige Spannungsmomente und Geräuschkulissen saugten einem das letzte Bedenken aus dem sitzenden Leib. Gewitzte Perkussion, aufregende Basslinien und Gitarrensoli. Alles in einer unebenen Landschaft, bestehend aus Akkordeon oder Piano, Banjo, Marimbaphon und Klarinette, mal sehnsüchtig weit, mal misstrauisch und beengend.

Die Erzählungen über die Protagonisten Lenny und Lala und die vortragende, klare Stimme der Sängerin, belegten spätestens jetzt verdient ihren wichtigen Platz im Ganzen. Natürlich englisch zu klingen, war vermutlich gar nie die Idee. Jenen mit englischer Muttersprache sei trotzdem verziehen, wenn sie sich bis zum Schluss nicht gänzlich mit den gesprochenen Textpassagen anfreunden konnten. Für alle anderen dürfte es rundum ein wunderbarer Dienstagabend gewesen sein! Das gefüllte Kleintheater zeigte sich begeistert und äusserst zufrieden – es hatte auch allen Grund dazu. Nach dem starken Auftritt gab es noch für jeden ein Cüpli aufs Haus, zum Anstossen und Ausklingenlassen des gelungenen Kunstwerkes. Good News: Franky Silence haben offensichtlich noch nicht ausgegeistert. Laut Sabrina Troxler träumt die Band bereits von einer zweiten Scheibe. Bis es soweit ist, heiratet Tim Burton vielleicht Ennio Morricone eines jazzigen Tages – in einer Welt, wo ja eh alles mit allem fusioniert. Das würde einigen Kritikern jedenfalls neue Schubladen öffnen.