Ein Festival der sich kumulierenden Pluspunkte

10.–12.11.2011, Grand Casino Luzern: Für ein Jahr ist wieder ausgebluest. Alles zusammengerechnet (das ganze Festival ging ja eigentlich vom 5. bis zum 13.11.) haben 11'000 Personen den Blues heuer nicht verschmäht. Während der drei Hauptfestivaltage des 17. Lucerne Blues Festival im Casino gabs grundsätzlich viel Erfreuliches. Sich kumulierende bluesige Pluspunkte und eine Peinlichkeit.

(Bilder PD/Heinz Steimann)

Höhepunkte? Es gab etliche, in unchronologischer Reihenfolge erinnern wir uns hier gerne an einige davon. Etwas Festivalhistorie. Gendermässig unkorrekt würde man sie treffend als «Big Mama» titulieren, die 1957 geborene Deitra Farr, die zu den putzmunteren Festival-«Wiedergängerinnen» gehört. Nämlich: 1995 und 1996, beim allerersten und beim zweiten Mal, war sie schon dabei am Lucerne Blues Festival, das damals noch im Rollerpalast durchgeführt wurde.

Ein «Wiedergänger» ist auch Otis Clay aus Chicago, ein Alter (geboren 1942), der manchem Jungen noch zeigen kann, wo der Hammer hängt. Blues ist hier nur der Vorname, was er bringt, ist beseeltester, grooviger Soul, zum vierten Mal in Luzern. Die Setliste beinhaltete auch Titel einer Live-Platte, die 2003 aufgenommen wurde, sie heissst «In The House». Aufnahmeort? Grand Casino Luzern, Panoramasaal. Das wäre dann, wie die Lateinlehrer sagen, ein Fall von «genius loci». Quintus McCormick ist ein Stämmig-Fülliger, und wie in so manchen Fällen, scheint die Postur subtil-flinkes Gitarrenspiel zu befördern. Mit seiner logischerweise Quintus McCormick Blues Band getauften Band spielte er sich durch soliden Blues, aber nicht nur: Im ausgiebig ausgefahrenen Zugabenteil kams zu bekanntem Nicht-Blues in Form eines begeisternden Santana-Medleys mit «Black Magic Woman/Gypsy Queen/Oye Como Va».

Keine Blues-Puristin ist auch Ruthie Foster (Jahrgang 1964). Welch Stimme! Die nutzt sie, die mit akustischer Gitarre auftritt, eben nicht nur für Blues; da wird gerne ins Gospelig-Soulige, ja Folkige abgebogen. Was sich unter anderem so manifestierte, dass auch mal zum Old Time Blues die Mandoline des Tastenmanns ertönt oder es gar schön unplugged wird, wenn die Drummerin löffelt und die Bassistin zur Geige greift. Auch ein Lucinda-Williams-Stück kann Ruthie Foster adaptieren, «etwas Otis Reding und etwas Ruthie Foster dazutun». Oder ein Reggae wird dargebracht. Joe Louis Walker hat es fertiggebracht, der Jugend zur Ermahnung, zu zeigen, wohin (übermässiger) Drogenkonsum führen kann: zur ultimativen Peinlichkeit. Über seine musikalischen Nicht-Leistungen am Freitag und Samstag hüllen wir den Mantel des Schweigens, so jenseitig-grottenübel war sein Auftritt als «Gitarrist» und «Sänger». Zum Glück hatte er noch eine Band dabei, die ihn aus dem Sumpf zog mit zum Teil brillanten Eigenleistungen, allen voran Gitarrist und Sänger Murali Coryell (der Sohn des bekannten Jazzers Larry Coryell). Unter anderem brachte Murali ein eigenes Stück zum Vortrag, das von einer wahren Begegnung im zarten Alter mit einem Gitarristen namens Jimi Hendrix berichtete. Zum Schluss gabs veritable Musik-Fuhren, im Casineum mit dem Belgier Howlin’ Bill, im Panoramasaal die Zydeco-Party (inklusive Halsketten-Klunker-ins-Publikum-Schmeissen) von und mit Handörgeler Terrance Simien und The Zydeco Experience. Ins südstaatliche musikalische Feuerwerk eingeschlichen hat sich auch hier ein Reggae («Stop That Train»). Nachtrag: Früher galt der Satz «Ein Bass ist ein Bass». Gerade am Lucerne Blues Festival beobachtbar ist ein sogenannter Paradigmawechsel, jetzt heisst es «Ein Bass ist kein Bass mehr»: Das Instrument hat inzwischen fünf Saiten und ist auch im Blues epidemisch verbreitet. Was sagt man dazu?