Die Zelle rockt, der Schnaps zirkuliert

Sedel, Luzern, 23.06.2018: … wird es laut und düster oder doch ruhig und friedlich? Die zweite Ausgabe des Proberaumfestivals «Die Zelle rockt!» bot für fast jeden Geschmack etwas. Dreiundzwanzig der über hundert Sedelbands gewährten dem Publikum in einem intimen Rahmen eine halbstündige Kostprobe ihres Repertoires. Vorhang, oder besser gesagt: Zelle auf!

Als die Konzerte begannen, befanden sich die meisten Leute des Publikums und der Bands noch draussen und genossen ein kühles Bier von der Bauwagen-Bar in idyllischer Atmosphäre. Die Schwelle des Eingangs übertreten, waren vom 2. OG schon verzerrte Gitarrenklänge hörbar, die einen durch die noch von goldenem Sonnenlicht überfluteten Gänge nach oben lockten. Zwischen drei bis vier Bands spielten gleichzeitig in ihrer jeweiligen Zelle. Aline Sleeps in Zelle 209 machten den Anfang und heizten dem Publikum mit ihrem Progressiv-Rock und den sehr persönlichen, komplizierten und langen Liedern schon mal gehörig ein. Währenddessen spielten auch Loren, Motorslug und The Toxic Tones. Letztere, deren Mitglieder besser bekannt sind unter dem Namen Intoxica, bespielten die Zelle 010 im EG mit ihren Rock’n’Roll- und Swing-Rhythmen und mitreissenden Melodien. Der Raum war so klein, dass sich das Publikum mitten in der Band befand. Der Drummer auf der anderen Seite des Raumes trieb die Zuhörer*innen mit seinen Rhythmen an. Zelle 010 schien die Retro-Ecke des Abends zu sein. Denn auch das Trio Sixtyninesix spielte dort ihr von den 60er-Jahren geprägtes Repertoire in einem einladenden Ambiente mit Lichterketten und Zimmerpflanzen.

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Blüten der alternativen Szene

Mittlerweile füllten sich die Gänge mit Leuten und es wurde dunkel – sowohl draussen als auch drinnen. Die 2016 gegründete Band Maledeit aus Bremgarten tauchte Zelle 211 in grün-violettes Licht und zauberte mit ihrer Besetzung aus Schlagzeug, E-Gitarre, E-Cello und Gesang wehmütige, melancholische, aber auch laute Klänge. Damit verliehen sie dem Raum einen mystischen Charakter. Trotz den von Wut und Verzweiflung geprägten Schreien der Sängerin, hatte die Band etwas Hypnotisierendes. Eine unverkennbare Blüte der alternativen Szene, deren Name nicht zu viel verspricht.

Ein Stockwerk weiter unten fanden sich Liebhaber*innen des Metal und Stoner Rock in und vor der Zelle 118, dem Proberaum der renommierten Sedelband Preamp Disaster, wieder. Nebst ihnen zählte die One Man Band Cello Inferno aka Marcello Palermo zu den grössten Publikumsmagneten. Er brachte auch dieses Jahr anstatt der Luzerner Strassen die Gänge des Sedels zum Beben.

Langsam wurde es auch auf den diesen laut und von überall her ertönte Musik. Im 1. OG spielten teilweise drei Bands gleichzeitig. Eine davon, frech und ungeniert, ausserplanmässig den ganzen Abend, unter anderem neben The Saint Innocents. Man musste sich schon in die engen Bandräume hineinzwängen, um der musikalischen Kilbi zwischen den Gängen zu entkommen. Je nachdem, wie mitreissend die Musik war, konnte es teilweise ziemlich stickig und heiss in den Zellen werden. Da half ein kühles Bier von der Bar oder ein kurzer Besuch an der Merch-Meile im Club. Des Weiteren bot die Pianobar dieses Jahr neu für Leute aus dem Publikum eine Openstage, bei der wild drauflos gejammt wurde.

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Wanderschnaps und positive Bilanz

Eine spacige Atmosphäre schufen Hellvis in der Zelle 104. Ein Mix aus Disco Punk und Elektro Rock im wohl kleinsten Bandraum, der mit vielen bunten Gegenständen aufgepeppt ist. Ein Sofa sorgte zugleich aber für gemütliche Wohnzimmerstimmung. Schrill war es in der Zelle 208. Im intimen Ambiente zwischen Plastikhandschuhen und pinker Beleuchtung wurde sogar der Schnaps zwischen Zuhörer*innen und Band hin und her gereicht.

Für diejenigen, die es lieber etwas ruhiger mochten, präsentierte Garvan Shvarts mit akustischer Gitarre seine Songs über Liebe, Ängste und andere Gefühle, ein vermeintlich verschollenes Fahrrad und die Langstrasse.

Somit bot die zweite Ausgabe von «Die Zelle rockt!» ein noch vielfältigeres Programm als letztes Jahr für neugierige Ohren. Mit von der Partie waren ausserdem die Bands Yavier, The Jules Winnfield Five, El Jardi del Mico, Ziper, Moped Lads, Of Queens and Rats, Cancellation:Void, Wrong Rabbit, Krankenzimmer 204, Play to Destroy und Zelle 200. In einem Programmheftchen, das im Voraus in der ganzen Stadt aufgelegt wurde, sind die Bands nochmals kurz porträtiert.

Sedel Programmheft

Dieses diente zudem auch dazu, dass das diesjährige «Die Zelle rockt!» von so vielen Leuten besucht wurde, meint Silvan Weibel, Mitglied des Vorstands vom ILM Sedel. Genauso einzigartig wie die Bands selbst waren auch deren Proberäume, die teils ganz schlicht und funktional, teils bunt und mit viel Firlefanz eingerichtet waren.

Eine gelungene Probe für den grossen Gig am Samstag 22. September 2018, bei dem nicht nur die Zellen, sondern der ganze Sedel anlässlich der obligaten Jahreshitparade in der Schüür rocken wird.