Die Höhlenbewohner im postkarnevalistischen Höhenflug

Die Blues Bar zügelte am Samstag zur Abwechslung und aus gutem Grund nach vorn in die schön grosse Vasco-Da-Gama-Halle. Um die vielen, die gekommen waren, zu fassen. Und um dem Partyshowtreiben des Hauptacts gebührend Raum zu geben: Die Morlocks waren gekommen, ihre erste richtige lange (Doppel-)Platte «Golden Covers» zu taufen, derweil die eigentlichen Tonträger sich noch im Ausland befanden. Sie luden mit Gästen zum Grossen Frühlingsfest der Molksfusik (der echte «Musikantenstadl» kam übrigens aus naturkatastrophischen Gründen nicht am TV).

Morlocks, die: nicht zu verwechseln mit den ausländischen Garagenrockern. Laut Myspace-Profil den Genres «Experimental/Fusion/Jam Band» zuzuordnen. Früher mal – und immer noch gültig? – titulierte sich die muntere Truppe als «älteste Schülerband der Innerschweiz», die nun auch schon seit August 2006 zugange ist. Morlocks, der schmeichelhafte Bandname: Das sind doch jene hässlich-affenartigen Höhlenbewohner aus H.G. Wells’ Sci-Fi-Roman «Die Zeitmaschine» (1895), unterirdisch hausende gfürchige Zottelwesen im Jahre 802'701, die sich von den oberirdischen und anmutigen Eloi im Erscheinungsbild deutlich unvorteilhaft unterscheiden.

Die Innerschweizer Morlocks verstehen sich als Spasstruppe, wo das Spiel und das Entertainment sich verbünden zum Showganzen. Noch ist es am Samstag noch nicht ganz soweit. Gerne lassen die Morlocks diversen Supporting Acts den Vortritt. Da wäre Niklaus Schärer aka Käpt’n Büsi mit Fliege am Hals und Solo-Elektrosound inkl. Gesang und An-Ort-Choreografie. Er war bis vor kurzem selbst ein Morlock, hat den Pianisten-Posten aber jüngst an den Neuen mit Namen Christov Rolla abgegeben. Gerüchteweise seien sie vom nebenan, im La Fourmi, abgehenden Event «Mr.-Gay-Wahl Schweiz 2011» herübergekommen, um unter anderem «Pretty Woman» zu intonieren: der flotte ungarische Dreier Poker Faces, der sein Gesangsgut a cappella zum Besten gibt. Dann noch Bryan Ferry! Nein, es ist Jet Turiño im weissen Anzug, der sage und schreibe sechs Damen im kleinen Schwarzen und in gitarristischen Playback-Posen dabei hat. Das Ganze nennt sich sinnigerweise Jet and the Fabulous Tourettes. Dann die Plattentaufenden, endlich. Die Morlocks sind jene Kapelle, die einen waschechten MC ihr eigen nennen kann. Er tritt auf in Gestalt von eben MC (von Max Christian) Graeff, dem Mann, der eigentlich kein Mikrofon bräuchte, dem Master of Ceremony, dem Microphone Commander vor dem Herrn, dem moderierenden fünften Bühnentier (aka Rampensau), dem es tatsächlich gelingt, im Höllen- bzw. Höhlenspektakel noch diverse Tenüwechsel vorzunehmen. Noblesse oblige.

Der bunte, abwechslungsreiche, die vorderen Reihen gar wie gewünscht zum Tanz (oder wenigstens rhythmischen Wackeln) animierenden musikalische Reigen hat es in sich. So reihen die Morlocks Hit an Hit in bisweilen eigenwilligen Interpretationen. Allen voran darf ihr meta-musikalischer Übersong «Am Tag, als Dieter Bohlen starb» nicht fehlen, ein rassiges «Caravan» (von Duke Ellingtons Gnaden) gibt’s, allen Freunden des nautischen Liedguts zuliebe wird «La Paloma» hörbar, bekenntnishafte Songbiografik wie «Ich zieh mich nur noch im Dunkeln aus» bleibt nicht unerhört, June Carters (und ol’ John Cashs) «Jackson» ist mit dabei im Repertoire, ebenso wie das italienische «Parla più piano», etwas Stones dazu («You Can’t Always Get What You Want») und aber auch eine tanzbare «Internationale», Textvariationen nicht ausgeschlossen. Neunköpfig, bei Gelegenheit (im Gebläse) mit Zuzügern aufgerüstet, tun sie, was sie nicht lassen wollen. Und es wird, wo schon Frühling angesagt war, zu einer Art grosser postkarnevalistischer Party. Die Tonträger treffen demnächst ein. Mit viel Morlocks-Musik. Und das Beiheft im Format 30 x 30 cm lohnt für sich schon den Erwerb. Die Morlocks: GOLDEN COVERS Vinyl-Doppelalbum und CD, Verlag Das fünfte Tier