Der Waltzer und ein paar Fehler in der Lebensgeschichte

Am Freitag besuchte die gefakte ungarische Gypsy-Familie, die Bertholinis das Treibhaus in Luzern. Diese neun Herren sind eigentlich Deutsch, haben aber anscheinend eine Affinität für Ungarn entwickelt. Mit Zweitnamen standen also Todor, Jànos, Oszkàr, Jozsef, Lobos, Làszlo, Gàbor und Ferenc da und belehrten einige Damen im Saal des besseren, Männer haben Gefühle. Sie drücken sie aber doch immer noch am besten durch ihre Instrumente aus.

(Von Nina Laky)

Die Bertholinis kommen anscheinend eher aus Bayern als - wie sie vorgeben- aus einem ungarischen Kaff mit dem Namen Átánly. Aufmerksame merken dies bereits recht früh, ist doch die ungarische Sprache keine leichte. Sodass die Bertholinis auf die Sprachen Deutsch und Englisch zurückgreifen müssen. Oder auf die - wie man so schön und viel zu selten sagt - universelle Sprache der Musik.

Mit auf die Bühne namen die neun nicht nur gute Laune und Charme, sondern auch jegliche Instrumente. Gitarre, Schlagzeug, Bass war ja klar, dazu kamen aber noch eine Pedal-Steel-Gitarre, ein Banjo, eine Trompete, sowas wie ein Saxophon, eine Posaune, ein Kontrabass und bei einem Song kam sogar ein Xylophon zum Zuge. Das ganze klang nach Calexicos kleine Brüder, nach Balkan, nach schönstem Indie, nach einem guten Walzer, experimentell zuweilen auch und schlussendlich machen die Bertholinis auch sehr schöne Popsongs. Die Texte und der Gesang grundeinfach, aber dafür todehrlich und lebensnah. Darum kam es zuweilen auch zu einem kleinen testosterongepärgten Gefühlschaos, das sich sehr schön anhörte. Dazwischen gab ein Bertholini zu, wie schön wir es doch hier hätten, einen so schönen See hätten wir, der "Walden"see hätte ihm also sehr gut gefallen. Gàbor Bertholini feierte zum Schluss auch noch kurz seinen 18.Geburtstag mit einem Trompetensolo und Saxophon-Bertholini zeigte sich fasziniert von einer - an der Tanke gekauften- Seifenblas-Blas-Maschine, welche die schöne Stimmung noch ein wenig kitschig und den Bühnenboden noch ein wenig glitschig machte. Von den Bertholinis sollte man, wenn alles mit richtigen Dingen abläuft, bald schon wieder und mehr hören. Noch selten hat jemand eine so schlechte Lebenslüge, so schön zelebriert und interpretiert.