«This is the day our Lord and Saviour, the Bunny Rabbit, got off the chocolate express» – Handsome Hank und Hayseed Dixie in der Schüür

Als begeisterter Teilzeitkauboi freute sich Pirelli a.k.a. Rusty Debil (seiner roten Locken wegen) natürlich schon geraume Weil auf Hayseed Dixie in der Schüür – und siehe da, seine Erwartungen wurden präzis erfüllt.

(Von Rusty Debil)

Wenige Formen der Countrymusik sind allseits derart beliebt wie der Bluegrass. Der Stil wurde in den 1930er-Jahren von Earl Scruggs und Bill Monroe begründet und erlebt spätestens seit den 50ern einen ungebrochenen Höhenflug. In europäischen Gefilden definitiv bekannt wurde Bluegrass durch den Soundtrack zum Film «Deliverance», in dem Eric Weissberg sein legendäres «Dueling Banjos» spielt – das Banjo ist denn auch das Zentrum des Bluegrass; seit Earl Scruggs die Dreifingertechnik perfektionierte, bildet es das rhythmische Powerhaus des Stils.

Bluegrass wird immer mit akustischen Instrumenten gespielt (Gitarre, Fiddle, Mandoline, Kontrabass oder akust. Bassgitarre); da die meisten Nummern sehr schnell sind, handelt es sich um die Hochleistungssportart im Country. Der Stil gilt als «sauber», er findet häufig open-air statt, im Gegensatz etwa zum Honky Tonk, der des Nachts in (ehemals) verrauchten Clubs dargeboten wird. So viel zur Theorie – doch mit dem traditionellen Bluegrass hatte das Konzert nicht viel am Hut. Handsome Hank and His Lonesome Boys (gegründet 2002, gemäss Bandbio 1946, rund um den Basler Musiker Sämi Schneider) haben ihre Formation auf vier verkleinert, sich vom Bluegrass über weite Teile ab- und dafür dem Honky Tonk und dem Western Swing zugewandt.

Gitarrist Burt Bell spielt eine wunderbare Gibson ES-295 Goldtop (Handsome Hank dazu in Anspielung auf Johnny Cashs Begründung, warum er immer Schwarz trage: «As long as there’s injustice in the world he only plays golden guitars») über einen Fender Bassman und ein Echoplex-Bandechogerät – eine durchaus klassische Kombination, wie sie schon Elvis’ Gitarrist Scotty Moore verwendete. Er bedient sich dabei mehrheitlich einer ausgefeilten Picking-Technik, was massgeblich zur Authentizität des Sounds beiträgt. Ihrem Rezept sind sie treu geblieben, die freundlichen Jungs: Man spielt zum grossen Teil artfremde Covers (z. B. «Paradise City» und «Black Hole Sun»), die man gekonnt über den Countryleisten schlägt; dazu einige Eigenkompositionen und Genreklassiker wie «Ghost Riders in the Sky» und «Folsom Prison Blues». Augenzwinkernd bemüht man dabei alle Countryklischees, angefangen bei den weissen Hüten bis hin zu den frömmlerischen Ansagen («Praise the Lord, brothers and sisters!»), aber erfüllt mit grosser Virtuosität und dito Spielfreude auch alle Bedingungen, die puristische Fans an die Musik stellen: Es klingt genau so, wie es klingen sollte. Absolut hörens- und sehenswert. Einen ähnlichen und doch ganz anderen Ansatz verfolgen die vier Hayseed Dixies: Zwar spielen sie in klassischer Bluegrass-Instrumentierung (akust. Gitarre, Fiddle, Mandoline und akust. Bassgitarre, alle Instrumente ohne jegliche Effekte direkt über das PA), aber mit der üblichen Kauboiromantik hat die Musik der vier martialischen Kerle wenig gemein. Auch hier werden mehrheitlich genrefremde Covers dargebracht, aber in unverkennbar eigenem Stil: schnell, laut, dreckig, respektlos, in grossartiger Hardrocker-Allüre. Absolute Highlights etwa die «Bohemian Rhapsody» von Queen, «Walk This Way» von Aerosmith, aber auch Mozarts «Kleine Nachtmusik». Diverse AC/DC-Covers haben den Ruhm der Band begründet, darunter «Highway to Hell» und «Hells Bells», das vom «saddest sound in the world» eingeläutet wird: dem Klang einer leeren Bierflasche.

Überhaupt der Gerstensaft: 48 Biere tränken sie pro Konzert, das ergibt bei 150 Shows im Jahr und 10 Jahren Karriere 72 000 Flaschen/Büchsen, was zu einer hohen Alkoholtoleranz geführt habe; flugs wurde draus ein Song: «Drinkin’ Beer Ain’t Fun As it Used to Be». Weitere Eigenkompositionen decken Themen ab wie «Keeping Your Poop in a Jar» oder «Alien Abduction Probe» – das Lied versucht die Frage zu beantworten, warum Aliens bei Entführungen immer auf einer Analsonde zu bestehen scheinen. Frontmann Barley Scotchs (John Wheeler) Ansagen sind wortreich, aber witzig und kurzweilig; er reisst mit grösstem Genuss alle Country- und Cowboyklischees ein, mit denen Handsome Hank eben noch so schön gespielt hat; auch die frömmlerischen, siehe Titel. Die Musik ist durchwegs äusserst virtuos; noch nie habe ich eine solche Turbomandoline gehört, und auch das Banjo steht ihr an Tempo in nichts nach. Der Gesang ist rau, aber präzis, auch in seiner Mehrstimmigkeit. Zwei Stunden lang spielten sie und beendeten das Konzert schliesslich mit einer Turbo-High-Speed-Noise-Jazz-Version von «Dueling Banjos», als ob ein Kreis zu den traditionellen Wurzeln geschlossen und zugleich eine Tür in die mögliche Zukunft des Bluegrass geöffnet werden sollte. Auf der MySpace-Site der Band kann man noch etliche Stücke hören, zum Besuch wird geraten.