Das Rätsel Ochsner

Patent Ochsner spielte zuletzt am 12. November 2008 in der Luzerner Schüür. Gestern und heute Abend beehren sie die Innerschweiz mit einem Doppelkonzert. Die Besucherzahlen lassen darüber sinnieren, was die Auftritte der Berner ausmacht.

(Von David Buntschu)

Schüür, Do, 1.11.2012: Eine volle Schüür ist etwas Eindrückliches und Erfreuliches. Dies jedoch mehr für die Verantstalter und den Auftretenden auf der Bühne als für die Besucher des Anlasses. Mitten im «Gstungg» hunderter Luzerner Ochsner-Fans kamen während dem Auftritt Fragen auf. Ist das neue Album «Johnny» der Hauptgrund für zwei ausverkaufte Schüür-Konzerte mit Patent Ochsner? Sind Ochsner-Texte für Ochsner-Liebhaber während Konzerten ein Refugium, in dem man nichts überlegen, sondern nur mitfühlen und mitsingen muss? Wie stark sind externe Textinterpretationen oder Mitdenken bei den Liederschreibern der Band erwünscht? Wie gern spielen Patent Ochsner alte Hits? Wie wichtig sind diese Hits für den Verlauf ihrer Konzerte? Wie kommt eine Persönlichkeit vom Format Büne Huber am Schluss des Konzertes dazu, sich minutenlang über einen Schreiberling der Luzerner Zeitung auszulassen, der vor vier Jahren eine angeblich grauenhafte Konzertkritik geschrieben hat? Der erste grosse Konzertteil des gestrigen Patent-Ochsner-Konzerts wurde dem neuen Album «Johnny» gewidmet. Es ergibt sich der Eindruck (der ohne grosses Vorhören entstand), dass sich die Band auf dem zweiten Teil der geplanten «Rimini Flashdown»-Trilogie nicht neu erfindet. «Guet Nacht, Elisabeth» ist einer der wenigen Songs, die Berührtheit im Publikums sicht- und hörbar machten. An viele Facetten vom neuen Material ist man als Ochsner-Hörer bereits gewohnt. Weltenbummler-Sound, mal nackt und still, mal gelöst und verspielt. Im Einbezug emotionaler Texte oder der geliebten und wegweisenden Bläsersätze steht die Band wiederum in nichts nach. Was am ehesten fehlt, ist etwas Schnelles und Packendes im Stile von «Grüens Liecht» oder «Trybguet». Songs von diesem Format; Songs eben, die ein Album ausmachen, hätten während der ersten Konzertstunde sicherlich für einen lebhafteren Eindruck der Band gesorgt. Viel änderte als «Trybguet» und Evergreens wie «Bluetbadbullschittläärloufmagerquark» oder «Bälpmoos» dann tatsächlich gespielt wurden. Was sich in diesen Momenten im Publikum ergibt, sind Emotionsstürme, Klatschen und stilsicheres Mitsingen. Während diesen Songs sieht man Menschen, die heiter tanzen oder teils eng umschlungen den Ort der Dreisamkeit mit sich selbst, dem Partner und Ochsner-Musik zelebrieren. In diesen Momenten drehen Büne Huber und sein Gefolge ein Konzert. Mit alten Glanz, der alte Alben ausmachte. Die oben gestellten Fragen sind nichtsdestotrotz auf diese Momente übertragbar. Wie berechnet sind die heutigen Ochsner-Auftritte? Was wären sie ohne diese Abschnitte, in denen das Publikum Schweizer Musikkult spürt? Man fragt sich das, weil kaum einer der neueren Songs das Publikum so berührte, wie es die alten taten, und die Band und ihr geschätzter Frontmann gestern einen müden Eindruck machten. Mag die Tagesform sein. Man verabschiedete sich dreimal und kam jeweils nochmals um auch die «W.Nuss» und «Scharlachrot» zu performen. Das Publikum war überglücklich. Während dem Closer betrieb Büne noch etwas, das in den USA mit dem Term «anger management» beschrieben wird. Ein minutenlanges Beschweren über die Unfähigkeit eines Journalisten der Neuen Luzerner Zeitung, dessen Text nach dem letzten Schüür-Konzert der Ochsner vor vier Jahren angeblich arg unter dem Druck des Redaktionsschlusses gelitten hat. Falls heute Dinge über den gestrigen Konzertabend in der Neuen LZ stehen würden, die nicht sind oder waren, müsste der Verfasser wiederum unter dem Druck einer in Schnelle herannahenden Berner-Faust leiden. Keinen interessiert dieser Bericht, am wenigsten sollte es Büne Huber interessieren. Er fühlte sich danach besser. Immerhin. Er und die Band hatten heute einen Tag lang Zeit, um in Luzern zu weilen und die Gemüter zu beruhigen. Heute Abend wird auf der Schüür-Bühne ein zweites Mal geochsnert. Es ist ausverkauft.