Das Neustadtfest oder Kuchen, ZAYK und Moshpit-Helden

Lindenhausstrasse, Luzern, 29.06.2019: Die dritte Ausgabe des Neustadt-Strassenfestes schafft es, die Stellung des kleinen Festivals weiter zu festigen. Die Vielfalt der Musik, der Verpflegung und sonstiger Unterhaltung überzeugt auch dieses Jahr.

 

Es ist noch viel zu heiss am Nachmittag, um sich ernsthaft durch die aufgeheizten Strassen zu kämpfen. Schlendert man doch durch die Neustadt, liegt es im Rahmen des Möglichen, dass man plötzlich von einer Absperrung, Zelten und Musik überrascht wird. Das Neustadt-Strassenfest.

 

Bereits zum dritten Mal setzt sich das halbnomadische Festival in einer Strasse in der Neustadt fest. Diesmal in der Lindenhausstrasse. Wer nicht weiss, wo die ist, ist damit wohl nicht allein, aber das gehört ja auch zum Konzept des Festes. Jedes Jahr soll in einer anderen Strasse ein Ort der Begegnung und des Austausches geschaffen werden. Da muss man halt mal danach googlen, und weiss es aber dann vielleicht für immer. (Wer zu faul zum googlen ist: die Lindenhausstrasse liegt zwischen der Feuerwehr und der Pauluskirche, genau, gleich beim Neubad.)

 

Worauf man sich ohne Google verlassen kann, ist die Vielseitigkeit der musikalischen Auswahl. Fünf Bands stehen auf dem Programm. Den Auftakt machen die Basement Roots. Und nur wenige Dinge vermischen sich so gut wie Reggae und Hitze. Die Band aus Luzern versprüht eine ausgelassene Stimmung. Wer sich einen Schattenplatz vor der Bühne ergattern konnte, tänzelt vielleicht sogar mit.

BasementRoots
Die Basement Roots und das Publikum im Kampf mit der prallen Nachmittagssonne

Fehr&Troller übernehmen das Zepter. Auf der Bühne: Zwei Männer, eine Gitarre und eine Flasche Whiskey. Während Manuel Troller gewohnt stark seinem bevorzugten Saiteninstrument Töne entlockt, erzählt und singt Michael Fehr mit seiner rauen, kratzigen Stimme und erinnert an Tom Waits. Gebannt hört man den «grausamen» Geschichten zu. Ein persönlicher Höhepunkt.

 

Weiter mit ZAYK. Die fünf Frauen beschwören eine psychedelische Klanglandschaft, durch die man sich nur allzu gerne führen lässt. Ausschweifend, ohne ziellos zu wirken, laden die langen Songs zum auditiven Trip ein. Wie es sich für das Genre gehört.

 

Neben den musikalischen Auftritten bietet das Neustadt-Strassenfest 3.0 auch eine Vielfalt kulinarischer Möglichkeiten und sonstiger Unterhaltung an. Was darf's sein? Uelihofwurst? Pita-Pocket? Ein T-Shirt bedrucken lassen? Kaffee und Kuchen am Pfarreistand? Oder doch ein animiertes Bild herstellen lassen? Für jede und jeden ist hier was zu finden.

 

Es wird aber auch ganz subtil politisiert. Die SP ist, als Unterstützerin des Festes, prominent im einzigen (natürlich) roten Zelt vertreten. Strategisch neben der Gratis-Wasserstelle platziert, würden böse Geister vielleicht sagen. «Wähle deine SP!», heisst es dort, und man wundert sich schon, ob das an so einem Fest wirklich angebracht ist. Kinder rennen mit roten Luftballons herum - ergo gute Werbung.

Voll

Und dann blinzelt man einmal zu lange und die Lindenhausstrasse ist pumpenvoll. Davey6000 alias Dave, weil «Davey6000 seid mer eigentlech niemer», stürmt die Bühne. Der heimliche Star des Tages. Da werden Hände in die Luft gereckt, Fäuste emporgehoben und Luzern muss mehr als nur einmal bestätigen, dass es noch da ist.

 

Zur Freude des Publikums kommt Dave mit Verstärkung. Sei es sein langjähriger Partner Marash, der den alten Rap aus ihm herauskitzelt, Mimiks, der sich gewohnt souverän die Ehre gibt, oder LCone, der mal nebenbei Tattoos vergleicht: frenetischer Jubeln. Die Helden retten gegen Ende des Sets noch die kleinen Kinder mit den SP-Ballonen vom Moshpit auf die Bühne, und schaffen so ein letztes surreales Bild, bevor sie verschwinden.

Davey6000
Davey6000 & Co.

Kaum ist Davey6000s Auftritt vorbei, lichten sich die Massen. Als Roy & The Devils Motorcycle übernehmen, scheint der Saft draussen zu sein. Auch wenn sie ihren psychedelischen Blues und Rock absolut überzeugend spielen, will der Funke einfach nicht richtig überspringen. «Ech be grad bem Davey cho, esch voll geil gsi», hört man jemanden sagen. «Aber denn -» Schnalzende Zunge, abfällige Handbewegung. Sehr schade.

 

Am Ende fühlt sich die dritte Ausgabe des Neustadt-Strassenfestes trotzdem nach einem Erfolg an. Die Menschen sind gekommen, das Wetter hat gepasst, die Stimmung war ausgelassen, und die Mission der Zelebrierung von Vielfältigkeit ist erfüllt worden. Wo gehen wir nächstes Jahr hin?