Dark Was The Night – Tim Hecker, NHK yx und Rumpistol im Südpol

Im Südpol traten gestern drei Herren auf, die unterschiedliche Strömungen der elektronischen Musik zu ihrem Spezialgebiet gemacht haben. Trotzdem entstand eine überraschend stimmige Dramaturgie, die sich bis zum Schluss durchzog.

Ein lautes Dröhnen dringt aus den Boxen, die Wände vibrieren. Im Club ist es dunkel. Zeitweise sieht man die Silhouette des Musikers, während hinter seinem Rücken die Visuals von Suffix über die Leinwand huschen. Zweifellos hat Tim Hecker seine Finger im Spiel. Schicht um Schicht stapelt der kanadische Produzent Orgelklänge, die sich in scheinbar willkürlichen Klangkaskaden ausbreiten. Es sind Stücke aus seinem aktuellen Album «Ravedeath 1972», das im Februar erschienen ist. Aufgenommen hat Hecker diese Ambient-Drones in einer Kirche in Reykjavík, im Studio hat er sie später nachbearbeitet. Es ist eine musikalische Darbietung ohne Wegweiser und ohne feste Regeln; die Besucher können sich ganz den transzendentalen Klängen hingeben. Intellektuell ist seine Musik schwierig zu erfassen, und doch stimulieren seine Klangbilder meine Hirnwindungen. Heckers schwer zugängliche, aber anregende Kost funktioniert am besten live; wenn die Boxen dröhnen und der Körper mitvibriert. Wenn zwischen dem Rezipienten und Hecker nur noch Schall und Rauch und rundherum das in der Dunkelheit verborgene Nichts herrscht. Nach einer Dreiviertelstunde war der Spuk zu Ende. Nicht leider zu Ende, aber auch nicht endlich zu Ende. Es war genau richtig so und ich stand etwas verloren und gedankenversunken im Saal. Nach dieser «Fuer» musste ich zuerst einmal meine Gedanken sammeln und verpasste deshalb den Grossteil des Sets von NHK yx. Seine Tracks sind definitiv auf der Höhe der Zeit und sind lassen sich irgendwo zwischen Hiphop, Glitch und Darkstep verorten. Ins Programm vom Low End Theory würde sein Sound jedenfalls prima hineinpassen.

Zu guter Letzt stand dann Jens Berents Christiansen alias Rumpistol hinter den Reglern. Mit gekonnter Leichtigkeit vermischt er Elektronica, Dubstep und IDM zu einer eigenständigen Melange. Seine neuesten Tracks sind mit feinen Soul-Anleihen gespickt, die er mit immer in Bewegung bleibenden Beats unterlegt. Das hört sich dann zeitweise an, als gäbe Dubstep-Pionier Burial zusammen mit den momentan omnipräsenten «Soulmen» (James Blake, Jamie Woon usw.) ein Stelldichein. Was aber seine Tracks so faszinierend und eigen machen, sind die warmen, zwischen der Melancholie durchschimmernden Klänge. Nie suhlt er sich in souliger Larmoyanz oder in der industriellen Kälte englischer Dubstep-Produktionen. Seine Tracks bewegen sich im Zwiespalt zwischen Tanzbarkeit und Kopfkino. Und da entschloss ich mich beides zu tun:  Ich wippte mit meinen Beinen und schloss meine Augen. Als ich diese wieder aufschlug, schimmerten die grellen Neonröhren im leeren Clubraum und die gute Fee des Hauses wischte mich und die letzten Überbleibsel raus in die Nacht. [youtube]http://www.youtube.com/watch?v=JEVHWhtfS48[/youtube]