Boban i Marko Markovic Orkestar – Blasakrobaten im Südpol: Ein zügelloser Abend mit wildem Balkancharme

Auf diesen Moment mussten sich die Liebhaber des Balkan Brass lange gedulden. Ursprünglich für Herbst 2010 geplant, musste das Konzert verschoben werden. Doch am vergangenen Freitag war es soweit. Vater Boban und Sohn Marko Markovic brachten zusammen mit ihrem preisgekrönten Orkestar den Südpol zum Beben.

(Von Simon Meienberg)

Für Verehrer des Balkan Brass sind Konzerte des Boban i Marko Markovic Orkestars ein Muss. Sie gehören zu den eindrucksvollsten Erlebnissen, die das Genre der Blasmusik zu bieten hat. Bereits seit den Anfängen des Balkan-Gypsy-Roots-Sound sorgen die launischen Kapriolen und ratternden Basstrommeln des Boban i Marko Markovic Orkestar für Furore rund um den Erdball. Sowohl akustisch Anspruchsvolle als auch fanatische Balkanbeat-Lover, finden sich jeweils scharenweise zu den meist ausverkauften Konzerten «Baba» Bobans und Sohn Markos ein. Denn das Orkestar hat schon längst einen Kultstatus erlangt, mit dem es nur wenige andere Bands des Genres aufnehmen können. Kein Wunder, dass die Band viele neidische Seitenblicke auf sich zieht. In ihrer Heimat Serbien zum Beispiel führte das fünffache Gewinnen der goldenen Trompete in Folge dazu, dass man das Orkestar von künftigen Wettkämpfen ausschloss. Bei uns im Westen kennen wir die Band zumindest schon aus dem Streifen «Underground» von Emir Kusturica. Wer sich trotzdem ohne jedwede Vorahnung auf die exotischen Ausschweifungen dieses Abends eingelassen hat, der wurde ganz bestimmt mit einer unvergesslichen Show belohnt. Den roten Teppich bereitete die vielversprechende Winterthurer «balkan-beats-‘n-melodies»-Band Sebass. Die junge Band heizte das Publikum bis kurz vor den Siedepunkt auf und verwandelte den Konzertsaal in einen schwingenden Klangkörper. Mit sehr viel Power und schnellen Beats bot Sebass dem Publikum eine musikalische Fusion aus eingängigen Melodien, traditionellen Rhythmen und Rock-Elementen. Ein akustisches Amuse-Bouche erster Güte. Die Violistin und Hauptsängerin Elisa Papathanassiou behauptete sich selbstbewusst im Mittelpunkt der anderen fünf Bandmusiker. Ihr virtuoses Violinenspiel war nicht das Einzige, was die männlichen Zuschauer in ihren Bann zog. Die Herznote der Harmonie besteht aus einer Kombination von Posaune, Bass, Gitarre, Perkussion, Akkordeon und Violine, soviel wurde Jedem klar. Und nach Verklingen des letzten Akkords waren die Zuschauer bereit für die Stars des Abends. Dann betraten die stolzen Männer von Boban i Marko die Bühne und reihten sich mit militärischer Disziplin im Halbkreis auf. Die Trompeten, Tuben und Trommeln im Anschlag und gekleidet wie für ein Begräbnis standen die sympathisch bierbäuchigen Herren da. Auf Kommando setzen die Bläser ihre goldenen Trompeten an die vibrierenden Lippen und schmetterten mal launig mal rasant in den vollen Raum. Die Hörner überboten sich gegenseitig, flirteten mit Flamenco, Tango und Samba und gipfelten in einem unglaublichen Tempo. Das furiose Rattern der Basstrommeln übernahm die Führung. Und zwischen den virtuosen Klängen des Orchesters drang der inbrünstige Tenor Bobans an die Oberfläche. Eine Szene, wie sie der eine oder andere von türkischen Hochzeiten kennt. Die Stimmung brodelte, die Hüften zogen ihre Kreise, Köpfe wippten im Takt und Marko feuert zum Tanz an. Ein akustisches Inferno! Danach versorgte das DJ-Kollektiv Ostkost die Tanzwütigen und Unermüdlichen dieses Abends mit reichlich tighten Beats und Balkansounds. Im Grossen und Ganzen gut gelungen, kommt jedoch Kritik an der Variation der Stücke auf. Der Anfang des Markovic-Konzerts war relativ eintönig und nicht sehr abwechslungreich, was sich dann gegen Ende mehr und mehr auflockerte. Eigentlich schade, denn Boban i Marko haben bekanntlich ein grosses Repertoire an Stücken. Wir danken dem Südpol und dem DJ-Kollektiv Ostkost, die uns für einen Abend das balkanische «savoir-vivre» ins Herz der Innerschweiz brachten. Was beweist, dass es trotz abgelehnter Waffeninitiative und politisch rechter Schlagseite noch Bestrebungen in die andere Richtung gibt.