Auch Philosophen machen Theater

Kleintheater, 10.05.2017: Die drei Philosophen Yves Bossart, Roland Neyerlin und Rayk Sprecher wagen sich in ihrer neuen Reihe «Standup Philosophy» mit der Suche nach einer Verknüpfung von Komik und philosophischer Strenge auf ein schwieriges Terrain.

Der ungewöhnliche Programmname der neuen Reihe «Standup Philosophy» weckt vielversprechende Erwartungen: Die Königsdisziplin, die gerne in einer für Laien häufig nur unter Anstrengungen zugänglichen Sprache verfasst ist, wird dem Publikum häppchenweise und mit einer Prise Humor serviert. So was «kann heiter werden. Muss aber nicht.»

Dass hier Philosophen auf der Bühne stehen, ist spätestens allen klar, nachdem Yves Bossart die Begrüssungsfloskel «schön, seid ihr da» zum Anlass nimmt, darüber ein Universum von philosophischen Fragen aufzuspannen. Dass diese drei Philosophen sich in der Komik versuchen, wird deutlich, als dem leichten Berühren der philosophischen Ansätze mit Humor aufgelauert wird.

Abwechselnd lesen Bossart, Neyerlin und Sprecher ihre Texte. Dabei sind ihre Einlagen gespickt mit Powerpoint-Darstellungen, akustischen Paukenschlägen oder untermalt von schwermütigen Klavierklängen. Jeder präsentiert Eigenes; Neyerlin fabuliert über Kirche und Katholizismus und verteilt Lifestyle-Tipps, Sprecher bilanziert die Luzerner Messe und reflektiert in prägnant-lakonischem Stil mit trockenster Ironie über das Kreieren eines «wirklich schönen Satzes», Bossart reisst Glühbirnen-Witze, sinniert über die Liebe und führt munter durch den Abend.

Zwischendurch folgen einstudierte Ab-Blatt Gespräche im Dreiergespann, die jedoch dazu tendieren, in ein loses Philo-Namedropping zu rutschen; ein bisschen «Das Ding an sich», ein bisschen «Heidegger», ein bisschen «Nietzsche».

Dem Publikum wird augenscheinlich willkürlich ein vielfältiges Sammelsurium an Themen präsentiert, das den roten Faden unter sich vergräbt. Klischees, Hostie, Glutenintoleranz, Himmel und Hölle, Tinder, Trumps Frisur und Niklaus von Flüe waren mitunter Objekte ihrer philosophischen Sezierversuche, deren Übergänge jeweils nur mit elastischen Sprüngen bewerkstelligt werden konnten.

Nach der Hälfte bestimmt das Trio die fünf Kriterien, die für einen gelungenen Aphorismus vonnöten seien, und fordert das Publikum dazu auf, in der Pause je einen solch inhaltlich nebligen, aber philosophisch klingenden Satz auf bereitgestellte Bieruntersätze zu schreiben. Die einzuhaltenden Kriterien notieren die Philosophen auf zwei Plakate: Gegensätze, dunkel, metaphorisch, abstrakt, und kurz.

Warum nicht also ihren Auftritt daran messen?

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Gegensätze? Der Spagat zwischen zwei so vermeintlich gegensätzlichen Disziplinen wie der Komik und der Philosophie ist ein gewagter und gelingt dem Trio noch nicht in überzeugender Weise. Es hätte sich weiter hinauslehnen und dem Publikum mehr zutrauen dürfen. Die spürbare Sorge der drei Männer, der Humor könnte dabei auf der Strecke bleiben, ist unbegründet. Dieser erlitt seine schwierigen Phasen eben in denjenigen Momenten, wo sie es sich nach unentschlossenem Oszillieren zwischen den beiden Disziplinen im braven, kantenfreien Mittelfeld einrichteten.

Dunkel? Ganz und gar nicht. Es herrschte ein sympathisches, vertrauensvolles Ambiente, und dem Trio gelang es, mit seiner Herzlichkeit und Wärme das Publikum einzufangen. Die Philosophie, die das Selbstverständliche hinterfragt, gewohnte Denkmuster aufbrechen und Altes neu denken möchte, war zwar häufig das Thema; philosophisch wurde es jedoch nur selten. Der versöhnte und harmlose Griff beliess das erhoffte philosophische Sezieren beim Versuch: Es fehlte das Tiefschürfende, die Dissonanz, der Biss.

Metaphorisch? Neyerlins Aphorismen-Sammlung war es allemal:
«Die Schweine von heute sind die Schinken von morgen», «Wenn der Gürtel passt, ist der Bauch vergessen», «Es gibt Menschen, bei denen sind keine Gefühle zu befürchten».

Abstrakt? Ein Highlight war Bossarts philosophische Höhenwanderung in den Raum der Abstrakta, die er mit halb ernsten, halb ironischen Gedankengängen zu Tinder und Parship startete. Ob denn das Wegwischen bei Tinder nicht auch immer ein Gefühl von Schuld auslöse und die Algorithmen, die den optimalen Partner berechnen, die strengen Eltern der früheren Jahrzehnte ersetzen würden. Von weiteren Gedanken abgelöst, schweift er zum nächsten und übernächsten, bewegt sich fast unmerklich weg von Tinder, wird ernster. Seine Stimme wird getragen von sanften, melancholischen Klavierklängen, so dass der Übergang von der vermeintlichen Banalität ins Reich der grossen Fragen ein fliessender, höchst subtiler ist. Und da stehen wir plötzlich – konfrontiert mit Fragen zur Liebe und zum Sinn des Lebens. Von diesen Gedankenausflügen hätte es mehr vertragen...

Kurz? Um die Parole vom Anfang nochmals aufzugreifen: Heiter wurde es, philosophisch eher weniger. Die Philosophen dürften sich mehr in den gedanklichen Schlund der menschlichen Existenz hineinwagen und ihre Sezierobjekte nicht nur sanft antippen, sondern zum Einstürzen bringen...