Äntlech ganzi Songs

«100 Siite Heartbreak» heisst das neue Album von Haubi Songs alias Nick Furrer. Das Weltgefühl, das kaum jemanden verschont, dekliniert Haubi auf seiner Platte auf radikal intime Weise. Mit Mundartautor Béla Rothenbühler spricht der Musiker über Zweifel und Zerrissenheiten, Liebeskummer und warum er als weisser Cis-Mann öfters schweigen sollte.

Béla Rothenbühler: Du chonsch vonere Probewoche in Schaffhuuse. Hesch grad Gigs oder besch mol so is Blauen use am Probe?
Nick Furrer: Äigentlech is Blauen use. Aso ech hätt äi Gig gha, woni ha welle druf hii schaffe, dä esch de aber weder abgsäit worde. Aber de hani die Session en Schaffhuuse scho gfixt gha, wel ech em Momänt no ke Ruum ha z Basel.

Stemmt, du wohnsch jo jetz z Basel. Esch guet?
Weni det be, eschs cool. Aber be halt ned so oft am Stöck det. Jedefalls: Am gliiche Tag, woni dä Ort en Schaffhuuse zom Probe öbercho ha, esch d Absag vo dem Gig cho. Aber de hani ergendwie gfonde: Ech machs trotzdem. Chasch jo ned äifach de Chopf i Sand stecke.

Ech sött der no usrechte vom 041, dass es ne chli läid tuet, dass mers Albom ersch jetz besprächid. Esch jo jetz doch schones Ziitli dosse.
Scho easy. Aso esch jo eh emmer so: Wenns use gesch, esches mäischtens scho relativ lang här, dass es för äim sälber aktuell gsi esch.

S’esch es mega persönlechs Albom worde …
Voll. E dere Beziihig esches för mech mega wechtig gsi, dasi das Albom gmacht ha, för mech as Könschtler. Mol z tschegge: Mini Emozione hend Platz e minere Musig. Es muss ned nor es loschtigs schwiizertütsches Nischeprojekt sii, wases jo sowieso esch, es döf au mol e persönleche Ton aaschlo. Ech chas mer grad äifach nömm vorschtelle, dass ech mech as Person völlig drus nehme.

Wiso hesch de früecher amigs die emozionali Dischtanz iigno?
Ech glaub, es esch gar ned mega bewosst gsi, ehrlech gsäit. Ech glaub, es esch meh eso gsi, dass ech mech sehr gärn ede Beobachterrolle gseh ha, em Beschriibe. Ond sogar weni ede Songs vorcho be, beni eher enere passive Rolle gsi. Enere Mehrhäit vo de Songs esches so gsi: Ech be scho debii, aber ech luege alles vo osse aa. Ond jetze beni halt s erschte Mol de Mettelponkt vom ganzen Enhalt.

Fühlsch di wohl det?
Ned ombedengt. Ech be während deren Arbet a dem Albom emmer mega emene Spannigsfäld denne gsi, wel ech äinersiits gmerkt ha, dass es mer mega es Aalege esch, dasi mini äigete Bedörfnis ärnschter nehme. Dasi mech sälber, ond wasi bruuche, ärnschter nehme. Aber gliichziitig fendi au: Es get wechtigeri Themen als äine win ech, wo sine Heartbreak nach use chehrt.

Aso: Sech sälber meh ärnscht näh ond gliichziitig weniger wechtig?
Genau. Wel das hani näbem Texte för das Albom ständig gmerkt: Es get no anderi wechtigi Sachen osser mer sälber. Ech ha ned welle e jommernde wiisse driissgjährige Maa sii, geschwäige denn öpper anders schlächt mache. Aber es esch jo es Break-up-Albom, drom esches no schwerig gsi, sini Gfühl uszdröcke, ohni das me ergend e Gränze öberschriitet. Wos de nömme nome Verletzlechkäit esch, sondern velecht sogar reschpäktlos werd. Ond gliichziitig ghört das glaub äifach dezue, wemmer mega verletzt esch: De fendt me glaub mängisch äifach alli andere s Henderletschte.

E schmale Grot …
Jo, ond dezue chonnt no das Spannigsfäld, dasi äinersiits äifach fende: Es esch voll ade Ziit, sech grad als wiisse Maa zroggznäh. Zroggzschtoh. Dass mängisch äifach d Mäinig vo äim ned gfrogt esch oder ned di relevantischt esch. Das mäini absiits vom äigete Albom. Ond anderersiits hani äntlech mösse lehre, för mech sälber iizschtoh, mer es positivs Sälbschtbeld schaffe, Sälbschtvertroue gwönne. De Prozäss vo dem Albom het mer debii gholfe. Dasch so chli d Schwerigkäit: för mech as wiisse Cis-Maa iizschtoh, ohni mech debii z wechtig z näh ond andere, relevantere Diskussione de Platz z näh.

Wi gosch de met dere Schwerigkäit om?
Mini Lösig esch före Momänt gsi: Das Heartbreak-Albom zwar z veröffentleche, aber ohni en expliziti Promo-Kampagne före Release. Ech mach grad meh Promo för Haubi Songs as Ganzes – ond för das, wo no chonnt. Ond, wäisch: Zroggschtoh mos jo ned häisse, gar nüt me z mache. För mech hätt das jetzt öppis Resignierts, z säge: Ech schriibe ke Songs me, weli e wiisse Maa be. Zroggschtoh cha jo zom Biischpel au bedüüte: Sech met anderne Perschpektive osenand z setze ond sech ond sini Songs mol kritisch onder d Lupe z näh. Äi Konsekwänz vo dene Gedanken esch au gsi, dasi mini Texte met vellne verschede dänkende Lüüt beschproche ha, bevor ech si gfixt ond veröffentlecht ha. Weli wi iigseh ha, dass es au Sache get, wonech ned tschegge.

Wo du nedemol bös mäinsch.
Aber wo denn äifach denäben öberechömid. Es send denn au spannendi Sache passiert: De säit zom Biischpel bem äinte Song öpper zo mer: «Nick, jetz hesch der s ganzen Albom lang so Müeh gä, aber be dem Song» (wo mer persönlech sehr wechtig gsi esch), «be dem vergesch alles. Be dem öberschriitisch e Gränze, do eschs nömme reflektiert, do öberschriitisch dini äigeti Lini.» Ond schlossäntlech hani ne ned ofs Albom to. Aber s het Abschtand bruucht. Weli em erschte Momänt äifach so gfonde ha: Mol, äi sone Fruschtsong, das mos äifach ofs Albom. Wel sösch gschpört me z wenig, wie ärnscht s mer esch. Dä Song esch mer äifach persönlech wechtig gsi. Aber je lenger ech dröber nocheddänkt ha, desto meh hani gmerkt: Dasch glaub en Emozion, wo zwar för mech mega wechtig gsi esch, aber s esch ned mega wechtig, dass d Wält dä Song ghört.

 

Es get wechtigeri Themen als äine win ech, wo sine Heartbreak nach use chehrt.

 

Hesch aso es Stöck wiit au d Kontrolle abgä.
Vor allem hani vell reflektiert. Aber Kontrolle abzgä esch es riise Thema för mech: Das hangt jo au alles zäme: zroggschtoh, Kontrolle abgä, s Patriarchat em Allgemäine. Es het vell met Zwäng ond Ängscht z tue, dass äim öppis chönnt ewäg gno wärde. Ech fende, mer setted zwöi Sache besser lehre: Kontrolle abgä, wenns om öppis goht, wo mer ned chönd beiiflosse. Ond üs zroggnäh, zom öpper anderem meh Ruum gä.

Huere komplex, di ganz Sach.
Es esch ned äifach. Dasch genau d Problematik vo dem letschte Release: Dasch genau das, dass ech mer s Rächt usenehme, öppis mega Persönlechs usezträge, obwohls glaub vell wechtigeri Storys gäbt em Momänt. Ond gliichziitig esch mer bewosst: Förd Allgemäinhäit send das jetz ned di wechtigschte Problem.

Aber de Heartbreak esch jo scho au es universells Thema.
Absolut. Wel Heartbreak esch jo es Thema, wo sech alli chönd demet identifiziere. Egal, weles Gschlächt ond weli sexuelli Usrechtig, mer hend alli scho mol en Heartbreak gha. Oder zwöi nachenand oder mehreri gliichziitig. Ond es cha velecht öppis Guets bewerke, wemme mol versuecht, das onverblüemt darzschtelle. Ond wemmes lost, merkt me velecht: Dasch es Gfühl, wo au anderi hend ond ergendwie dezue ghört. Das Anderne-Zuelose ond s Sechsälber-Zuelose, das het jo meh metenand z tue, as me mängisch mäint.

Dasch e schöni Synthese.
Jo, das cha glaub au e mega Chance sii. Wemme die Posizion em Mettelponkt au met Theme cha verchnöpfe, wo öber di äiget Person uus gönd. Ech glaub, das esch das, woni mer vornehme för d Zuekonft. Ech wett emmer no Musig mache, wo Lüüt berüehrt ond wo Emozione transportiert. Ond det chanech mini äigete halt ned usnäh. Ond das bedengt, dasech mech ond mini Gfühl lo lo iifliesse.

Was nemmsch sösch no so met os dem Prozäss?
Öppis, won ech au wett metnä förd Zuekonft ond won ech mer noni ganz secher be, win ech das löse, esch, dasi äinersiits fende: S esch mega schön gsi, mol es Thema so chli dörezchätsche: Emmer nomol omschriibe ond nomol reflektieren ond nomol e Song osem Albom usenäh ond so. Aber gliichziitig eschs mer au mega es Aalege, dasi die Spontanität, wo Haubi Songs glaub au usmacht, weder fende. Wasi jetz scho mehrmols as Publikomsfeedback ghört ha, esch d Frog: «Send de das no Haubi Songs? Das send doch jetz ganzi!» Ond gwössi fendid, es send äntlech ganzi Songs, ond me cha mini Musig jetz äntlech afo ärnscht näh. Ond weder anderi fendid: «Jo, nääi; jetz machsch au nor Songs wi alli andere.» Dete beni of de Suechi nocheme Wäg, woni nömme mos konzepzionell entschäide: Mosis jetz hondert Mol omschriibe oder loni jetz d Rohfassig ofem Albom; sondern äifach bedes cha zuelo. Ech glaube, gwössi Songs bruuchid meh Pfleg ond gwössi chasch e äim Schnorz schriibe. För mech eschs äigentlech de äinzig Wäg, dasi mech ned mos em Chopf enne förs äinte oders anderen entschäide, sondern äifach alles cha zueloh.

Das häisst: En Zuekonft wärdid Haubi Songs ond Ganzi Songs näbenand entschtoh?
Hey, hoffentlech.

Mer fröiid üs. Merci vellmol för das Gschpröch.


Interview: Béla Rothenbühler
Bild: Ralph Kühne
Artwork: Flora Mottini (Cover)

041 – Das Kulturmagazin im März 03/2022

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